Die schwarz-gelbe Landesregierung ist in diesen Tagen drei Jahre im Amt, zwei Jahre liegen noch vor ihr. Ministerpräsident Volker Bouffier und sein Stellvertreter, Justizminister Jörg-Uwe Hahn ziehen im Interview mit dem Wiesbadener Kurier Bilanz und geben einen Ausblick.

Wiesbadener Kurier: Herr Bouffier, Herr Hahn, die Regierung ist seit drei Jahren im Amt. Vertrauen, Freiheit, Fortschritt steht über der Koalitionsvereinbarung. Liegen Sie mit Ihren Vorhaben im Plan?

Volker Bouffier: In Teilen darüber, und zwar deutlich. Ich nenne als erstes den Erhalt und Ausbau der wirtschaftlichen Stärke des Landes, die die Grundlage für Arbeit und Wohlstand sind. Hessen steht so gut da, wie seit 40 Jahren nicht mehr. Ich nenne nur das Wirtschaftswachstum von 3,4 Prozent, die höchste Zahl an Beschäftigten, die es jemals in diesem Land gab und mehr Ausbildungsplätze als Bewerber. Wir haben die Schuldenbremse in der Verfassung eingeführt, die Neuverschuldung ist bereits jetzt in beachtlicher Weise abgebaut worden. Sie wurde mehr als halbiert. Diese ausgezeichnete Lage ist die Grundlage für Gestaltung von Politik. Dabei setzen wir Prioritäten für Bildung, Sicherheit und Zukunftsgestaltung. Wir haben unser Versprechen praktisch erfüllt, 2500 zusätzliche Lehrer einzustellen. Dazu zählen zusätzliche Anstrengungen für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren, wo wir gerade 30 Millionen Euro zusätzlich beschlossen haben. Wir haben schon jetzt einen Versorgungsgrad von knapp 29 Prozent und stehen damit sehr gut da, sodass wir die Zielmarke von 35 Prozent im Jahr 2013 erreichen werden. Ich nenne außerdem die Ganztagsbetreuung in Schulen, die selbstständige Schule, und den vernünftigen, unideologischen Umgang mit der achtjährigen Gymnasialzeit. Unser Vertrag mit Hessen heißt, so stark bleiben, wie wir sind und alles tun, damit wir auch 2025 ein starkes Hessen sind.

**Wiesbadener Kurier: **Diese Politik muss aber auch verkauft werden . . .

Jörg-Uwe Hahn: Ja, richtig. Tue Gutes und rede darüber. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Regierung ihre Leistungen den Menschen noch stärker vermitteln und auch erklären muss, was die Menschen von unserer Politik für konkrete Vorteile haben.

**Wiesbadener Kurier: **Sie haben bis heute etwa 300 Vorhaben umgesetzt. Können Sie drei Maßnahmen nennen, auf die Sie besonders stolz sind?

**Jörg-Uwe Hahn: **Wir haben die Schulen in die Selbstständigkeit geführt, die Schuldenbremse in der Verfassung verankert und wir haben eine nachhaltige Politik etabliert, finanziell wie ökologisch.

**Wiesbadener Kurier: **Im Koalitionsvertrag steht auch, die Zusammenarbeit zwischen der Fraport und dem Flughafen Hahn solle verstärkt werden.

**Jörg-Uwe Hahn: **Das war in der Tat vorgesehen. Die Fraport hat für Hahn Entwicklungsmöglichkeiten gesehen. Aber die rheinland-pfälzische Landesregierung hat wenige Tage vor Einführung des sogenannten Hahn-Talers - also einer "Eintrittsgebühr" zum Ausgleich des Millionendefizits in Hahn - einen Rückzieher gemacht. Daraufhin hat die Fraport, die bis dahin das Defizit von 15 bis 20 Millionen im Jahr voll zu tragen hatte, ihre Anteile an Hahn an Rheinland-Pfalz verkauft. Die jüngsten Äußerungen des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten sind in keinster Weise hilfreich, Probleme dieser Region gemeinsam anzugehen.

Wiesbadener Kurier: Eine Zusammenarbeit mit Hahn könnte manche Probleme lösen, die wir in Frankfurt aktuell mit dem Fluglärm haben.

**Jörg-Uwe Hahn: **Die hessische Landesregierung hat für ein solches System gekämpft. Aber die Mainzer Seite hat sich nie um eine vertrauensvolle und zielgerichtete Zusammenarbeit bemüht.

**Wiesbadener Kurier: **Mit welchem Adjektiv würden Sie die Zusammenarbeit in der Koalition beschreiben?

Volker Bouffier: Vertrauensvoll

Jörg-Uwe Hahn: Freundschaftlich-kameradschaftlich

Wiesbadener Kurier: Viele nehmen diese Regierung als langweilig wahr.

Volker Bouffier: Uns geht es nicht um die tägliche Jagd nach der Schlagzeile. Gestaltende Politik hat die Aufgabe, Herausforderungen anzunehmen, Probleme anzupacken und sie im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu lösen.

Jörg-Uwe Hahn: Wir haben einen Arbeitsstil entwickelt, der in Deutschland einzigartig ist. Die offene Feldschlacht überlassen wir den Kollegen in Berlin.

**Wiesbadener Kurier: **Für gestaltende Politik fehlt bisweilen auch das Geld, weil Hessen andere Länder mitfinanziert. Wann kommt die Klage gegen den Länderfinanzausgleich?

Volker Bouffier: Kein Land zahlt so viel pro Einwohner wie Hessen, insgesamt 1,8 Milliarden Euro. Eine Milliarde geht allein nach Berlin, unserem liebsten Kunden. Ich finde es nicht in Ordnung, sich mit anderer Leute Geld in Pose zu werfen, indem man zum Beispiel beitragsfreie Kindergärten einführt. Es kann nicht so bleiben, dass drei Länder die übrigen 13 mitfinanzieren. Und daher steht der Länderfinanzausgleich in unserem Aufgabenheft für die nächsten zwei Jahre. Es gibt einen gemeinsamen Kabinettsbeschluss von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, gegen die bestehende Regelung zu klagen. Aber in Stuttgart haben wir eine neue Regierung. Ministerpräsident Kretschmann sieht weiteren Beratungsbedarf. Jetzt sollen die Chefs der drei Staatskanzleien weiter verhandeln, beispielsweise auch über Transferleistungen an die neuen Länder oder die Ergänzungszuweisungen des Bundes. Aber bis Ende des Jahres brauchen wir eine Verständigung, spätestens dann werden wir mit Bayern die Klage einreichen.

Jörg-Uwe Hahn: Ich will das ergänzen. In meinen Augen fällt die Entscheidung, ob noch weiter verhandelt oder geklagt wird, im April. Herr Kretschmann spielt offenbar auf Zeit, das gucken wir uns nicht ewig an.

Wiesbadener Kurier: Ihr Wunschpartner sitzt gerade neben Ihnen. Würden Sie sich nach der Wahl notfalls auch auf eine große Koalition einlassen?

Volker Bouffier: Hessen hat eine erfolgreiche Regierung und braucht immer eine starke und stabile Regierung.

**Wiesbadener Kurier: **Wird es eine Koalitionsaussage geben?

Jörg-Uwe Hahn: Auch diese Entscheidung steht aktuell nicht an. Aber ich kann mir vorstellen, dass wir sagen, eine erfolgreiche Regierung sollte ihre Arbeit fortsetzen.

Die Fragen stellten Stefan Schröder und Christian Stang.

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