In Hessen soll kein ausbildungswilliger Jugendlicher ohne Ausbildungsplatz bleiben. Dies ist das Ziel des Bündnisses Ausbildung Hessen, das Landesregierung, Regionaldirektion Hessen der Agentur für Arbeit, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Kommunen am Dienstag in Wiesbaden unterzeichnet haben. Mit dem Bündnis Ausbildung setzt sich die hessische Wirtschaft konkrete Ziele. So sollen in diesem Jahr zusätzlich 1.500 Ausbildungsstellen, mindestens 1.500 Plätze für die Einstiegsqualifizierung und so viele Praktikumsplätze wie nötig angeboten werden.

Alle Jugendlichen ausbildungsfähig machen

„Hessen gehört zu den stärksten Wirtschaftsstandorten in Europa. Dies basiert nicht zuletzt auf der hohen Innovationskraft der Unternehmen und dem Know-how ihrer Mitarbeiter. Daher  werden äußerste Anstrengungen unternommen, alle Jugendlichen ausbildungsfähig zu machen. Es ist das Ziel der Landesregierung, gemeinsam mit den Bündnispartnern in Hessen alle vorhandenen Potenziale für den Arbeits- und Ausbildungsmarkt auszuschöpfen“, begründete Ministerpräsident Volker Bouffier die Initiative.

Gerade in einem globalisierten Markt gelte es, dem scharfen Wettbewerb standzuhalten. Daher sei eine fundierte Ausbildung eine der tragenden Säulen für die Fachkräftesicherung von morgen, sagte Bouffier. „Trotz eines bereits spürbaren Fachkräftemangels in bestimmten Branchen konnten im vergangenen Jahr mehr als 1.350 Jugendliche nicht vermittelt werden. Gleichzeitig blieben in Hessen 2.138 angebotene Ausbildungsplätze unbesetzt.

„Mit der Stärkung des Dualen Systems durch eine verbesserte Durchlässigkeit von beruflicher Ausbildung zum Hochschulstudium und der Neugestaltung des Übergangsbereichs Schule-Beruf wollen wir weitere Schritte unternehmen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken“, sagte Bouffier.

Duale Berufsausbildung stärken

Al-Wazir wies auf die enorme Bedeutung der dualen Berufsausbildung für den Wirtschaftsstandort hin: „Sie ist eine tragende Säule der Fachkräftesicherung. Wir brauchen das Bündnis Ausbildung, weil in Hessen immer weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen werden, gleichzeitig aber viele Stellen unbesetzt bleiben. Unser gemeinsames Ziel ist es, die duale Ausbildung in Hessen wieder nachhaltig zu stärken, zumal wir davon überzeugt sind, dass sie rein schulischen Berufskarrieren überlegen ist. Wir wollen deshalb allen Jugendlichen in Hessen, die das möchten, eine berufliche Ausbildung von hoher Qualität ermöglichen.“

Die Bündnispartner verpflichten sich zu zahlreichen konkreten Maßnahmen. Sie erstrecken sich unter anderem auf die Stärkung des Stellenangebots und der Ausbildungsqualität, auf Unterstützungsangebote während der Ausbildungszeit, auf Berufs- und Studienorientierung in der Schule sowie auf die Nachqualifizierung während des Berufslebens.

Qualität statt Quantität

„Alle Maßnahmen sind darauf gerichtet, die duale Ausbildung attraktiver zu machen“, sagte Al-Wazir: „Die Zahl junger Menschen, die eine berufliche Ausbildung machen, muss wieder ansteigen. Das ist für eine nachhaltige Fachkräftesicherung unverzichtbar.“ Das Land werde die gezielte Unterstützung von Jugendlichen z.B. durch Ausbildungsbegleiter und -begleiterinnen ausbauen, die Früherkennung drohender Ausbildungsabbrüche weiterentwickeln, die Ausbildungsfähigkeit und -qualität von Kleinstunternehmen stärken, die Beratungsangebote für Studienzweiflerinnen und -zweifler besser vernetzen und eine flächendeckende Nachqualifizierungsberatung aufbauen.

Für Professor Mathias Müller, Vorsitzender der IHK Arbeitsgemeinschaft Hessen, leitet das Bündnis Ausbildung einen Paradigmenwechsel ein: „Mit unserer Unterschrift unter die Bündnis-Vereinbarung leisten wir ein Qualitätsversprechen: Künftig geht es noch mehr um Qualität in der Berufsausbildung, nicht allein um Quantität. Nur Unternehmen, die eine gute Ausbildung bieten, werden in Zukunft genügend geeignete Bewerberinnen und Bewerber finden. Im Bündnis sind etliche Aktivitäten für eine qualitative Weiterentwicklung der Berufsausbildung aufgeführt. Für diese Qualität stehen die IHKs auch gegenüber den jungen Auszubildenden gerade.“

Sicherung des Fachkräftebedarfs von Morgen

Die Ausbilderinnen und Ausbilder in IHK-Unternehmen sollen etwa in Workshops auf die neuen Herausforderungen der Fachkräfteentwicklung vorbereitet werden. Die Kammern werden die Ausbildenden und Prüferinnen und Prüfer noch stärker professionalisieren.

„Die Qualität von Ausbildung und Prüfungen soll verbessert werden, um den jungen Erwachsenen nach der erfolgreichen Absolvierung einer dualen Ausbildung bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu bieten bzw. den Übergang in einen beruflichen Aufstieg durch Fortbildung zu erleichtern,“ sagte der Präsident des Verbandes Freier Berufe in Hessen, Dr. Giesbert Schulz-Freywald.

„Gewinnung von Nachwuchs durch Ausbildung ist für das Handwerk die Sicherung des Fachkräftebedarfs von Morgen. Ausbildung ist und bleibt das zentrale Thema für uns. Daher wird auch zukünftig das Handwerk seine gesellschaftspolitische Verantwortung wahrnehmen und Jugendlichen ausreichende Chancen und Möglichkeiten bieten. Bis heute wird die überdurchschnittlich hohe Ausbildungsquote – also das Verhältnis von Beschäftigten zu Lehrlingen – von rund neun Prozent im hessischen Handwerk gehalten. Auf diese Ausbildungsleistung sind wir stolz“, sagte Bernd Ehinger, Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern.

Berufliche Nachqualifizierung als weiterer Schlüssel

Dr. Frank Martin, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur  für Arbeit, sieht neben der Stärkung der dualen Berufsausbildung die berufliche Nachqualifizierung als weiteren Schlüssel zur Fachkräftegewinnung. „Wir sollten gemeinsam alles dafür tun, dass die duale Ausbildung in Hessen weiterhin einen hohen Stellenwert hat. Die hessische Wirtschaft kann nicht nur mit Akademikern funktionieren, der gut ausgebildete Handwerker ist für den Wohlstand Hessens genauso wichtig. Die geplanten 1.500 zusätzlichen dualen Ausbildungsplätze sind daher ein richtiges Signal.

Die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter werden weiterhin jedem vermittlungsbereiten Jugendlichen Angebote unterbreiten, ausbildungsbegleitende Hilfen anbieten und Jugendliche in Form einer assistierten Ausbildung unterstützen. Angesichts der hohen Anzahl von arbeitslosen Menschen in Hessen, die keine Berufsausbildung haben, ist die berufliche Nachqualifizierung und Erstausbildung zu stärken.“

Umfangreichere Berufsorientierung in allen Schulformen

„Im Grundsatz besteht darüber Einvernehmen, dass nur dann mehr Jugendliche für die duale Ausbildung gewonnen werden können, wenn auch eine verbindliche und curricular verankerte Berufsorientierung in allen allgemeinbildenden Schulen sowie ein erweiterter Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte erreicht werden kann“, sagte Volker Fasbender, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung hessischer Unternehmerverbände (VhU): „Die Verbindung des Bündnisses für Ausbildung mit den Diskussionen im Rahmen des Bildungsgipfels hat eindrucksvoll gezeigt, dass für die im Bündnis für Ausbildung mit der Wirtschaft vereinbarten Maßnahmen ein breiter gesellschaftlicher Konsens existiert. Dies umfasst die Forderung nach einer besseren und umfangreicheren Berufsorientierung in allen Schulformen und einer zügigeren Integration in Ausbildung statt schulischer Warteschleifen. Um mehr Jugendliche für eine duale Berufsausbildung zu begeistern, müssen wir zusätzlich sicherstellen, dass der Facharbeiterabschluss und der Gesellenbrief bei entsprechender Eignung den Zugang zur Hochschule eröffnen.“

Keine unnötigen Warteschleifen

Fragen der Berufsorientierung und der Durchlässigkeit des Bildungssystems werden derzeit im Rahmen des Bildungsgipfels erörtert. Die Ergebnisse sollen bei der Umsetzung des Bündnisses berücksichtigt werden. Dazu sagte Gabriele Kailing, DGB-Bezirksvorsitzende Hessen-Thüringen: „Unsere zentralen Erwartungen sind zum einen, dass es in Hessen einen direkten Zugang nach der Berufsausbildung ins Studium gibt. Zum anderen muss mit dem Bündnis eine Ausbildungsgarantie umgesetzt werden. Darüber hinaus muss etwas dafür getan werden, dass mehr Jugendliche direkt eine Ausbildung aufnehmen und nicht in unnötigen Warteschleifen hängen.“

Die Bündnispartner haben sich darauf verständigt, dass mehr junge Menschen unmittelbar nach der Schule eine Berufsausbildung aufnehmen sollen, statt in den sogenannten Übergangsbereich – dazu gehören z.B. die zweijährigen Berufsfachschulen, die einjährigen Höheren Berufsfachschulen oder das Berufsgrundbildungsjahr  – einzumünden. Das Land strebt an, die Zahl der Schulabgänger, die jedes Jahr in diese Angebote wechseln, bis 2020/21 von derzeit 15.000 auf 10.000 zu reduzieren. Zur Neugestaltung des Übergangsbereichs soll bis Sommer ein Konzept vorliegen.

Stephan Gieseler, Geschäftsführender Direktor des Hessischen Städtetages, hebt die koordinierende Funktion der Städte und Landkreise in regionalen Arbeitsmarktgesprächen hervor: „Die Vernetzung vor Ort ist wichtig, um Schnittstellen zu überwinden, abgestimmte Beratungsangebote vorzuhalten, neue Qualifizierungsinstrumente zu entwickeln, Transferleistungen zu vermeiden und die Zusammenarbeit unterschiedlicher Professionen zielgerichtet fortzuentwickeln.“

Mögliche Berufsperspektiven aufzeigen

Auch der Vizepräsident des Hessischen Landkreistages, Robert Becker, betonte die Rolle der Landkreise und kreisfreien Städte in der Berufsausbildung: „Die Berufsorientierung ermöglicht den Jugendlichen in den Landkreisen und kreisfreien Städten eine zielgerichtete Weichenstellung für ihren weiteren Lebensweg. Genau hier setzt die Jugendberufshilfe gemeinsam mit ihren Partnern bereits in der Schule an, indem sie den Jugendlichen mögliche Berufsperspektiven anhand ihrer Vorlieben, Fähigkeiten und Möglichkeiten aufzeigt. Darüber hinaus wird dieses Angebot auch durch die Schulsozialarbeit der Landkreise und kreisfreien Städte und die Arbeit der Kommunalen Jobcenter für die jungen Menschen im SGB II-Bezug ergänzt. Beide Ansprechpartner ermöglichen es, auch schwer erreichbare Jugendliche noch zu erreichen, um mit ihnen eine geeignete individuelle Zukunftsperspektive zu finden.“

„Gerade eine gute Ausbildung ist heutzutage wichtig, um den Jugendlichen den weiteren Lebensweg zu ebnen. Daher ist ein gesamtgesellschaftliches Engagement – auch durch Mitwirkung der öffentlichen Hand – unverzichtbar“, sagte der Präsident des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, Karl-Heinz Schäfer.

Bündnispartner sind das Land Hessen, die Regionaldirektion Hessen der Agentur für Arbeit, die Vereinigung hessischer Unternehmerverbände, die hessischen Handwerks- sowie die Industrie- und Handelskammern, der Verband Freier Berufe in Hessen, der Deutsche Gewerkschaftsbund Hessen-Thüringen, der Hessische Landkreistag, der Hessische Städtetag und der Hessische Städte- und Gemeindebund.

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