Im Rahmen des traditionellen Tages der Vertriebenen auf dem Hessentag wurde von Ministerpräsident Volker Bouffier in Hofgeismar zum dritten Mal der mit 7.500 Euro dotierte Hessische Landespreis „Flucht, Vertreibung, Eingliederung“ vergeben.

Fast ein Drittel aller Hessen hat Flucht und Vertreibung erlebt

„Fast ein Drittel aller in Hessen lebenden Bürgerinnen und Bürger hat Flucht und Vertreibung selbst erlebt, ist durch das Schicksal der nächsten Angehörigen betroffen oder wohnt hier als Spätaussiedler. Die Hessische Landesregierung ist sich der Verantwortung bewusst, die daraus erwächst. Die Unterstützung der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler ist für uns eine Herzensangelegenheit. Deshalb begehen wir am zweiten Sonntag im September den ‚Hessischen Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation’. Auch mit dem heute verliehenen Preis halten wir die Erinnerung wach“, sagte Ministerpräsident Volker Bouffier.

In seiner Einführung zur Preisverleihung sprach der Minister für Soziales und Integration Stefan Grüttner über die Entstehung des Preises und die Entscheidung der Jury in diesem Jahr. Der aus Anlass des 60. Jahrestages der Verkündung der „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ vom 5. August 1950 im Jahr 2010 durch die Hessische Landesregierung ins Leben gerufene Preis zeichne seit dem Jahr 2011 alle zwei Jahre hervorragende kulturelle, literarische oder wissenschaftliche Leistungen im Zusammenhang mit den Ereignissen von Flucht, Vertreibung und Eingliederung der deutschen Heimatvertriebenen aus. Diese Würdigung wolle im Geiste der bereits kurz nach Kriegsende unterzeichneten „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ die darin erklärte Absage an Rache und Vergeltung hervorheben und den Willen der Heimatvertriebenen betonen, am Aufbau Deutschlands und Europas im Geiste der Versöhnung mitzuwirken.

Einstimmiger Beschluss der Jury, den Preis zu teilen

Minister Grüttner führte aus, dass die Jury sich auch in diesem Jahr die Entscheidung nicht leicht gemacht, letztlich aber unter 24 Bewerbungen die Auswahl der Preisträger einstimmig getroffen habe. Eingesandt worden seien Sachbücher, Zeitungen, Biographien, Erlebnisberichte, Schularbeiten und Video-Aufzeichnungen. Die Jury habe einstimmig beschlossen, den Preis zu teilen und drei Preisträger auszuzeichnen. Minister Grüttner dankte insbesondere auch allen Bewerberinnen und Bewerbern, die keinen Preis erhalten konnten. Ihre Anstrengung werde mit einem Buchgeschenk belohnt.

In ihrer Laudatio gab die Landesbeauftragte der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler Margarete Ziegler-Raschdorf die Gewinner des Preises bekannt: „Der Hauptpreis in Höhe von 4.500 Euro geht im Jahr 2015 an das Weilburger Forum für die Videodokumentation „Gegen das Vergessen: Flucht – Vertreibung – Aussöhnung“. Die weiteren Preisträger sind die Adam –von-Trott-Schule in Sontra für den Projekttag „Geschichte und Integration der Deutschen aus Russland“ und der Schüler dieser Schule, Marcel Isinger für seine schulische Jahresarbeit  „Erzählte Traditionen der Russlanddeutschen“. Diese beiden Preisträger erhalten jeweils ein Preisgeld von 1.500 Euro.“

Video-Dokumentation des Weilburger Forums

Die Video-Dokumentation, die das Weilburger Forum vorgelegt habe und gemeinsam mit dem Internetfernsehsender Weilburg -TV entstanden sei, sei die umfangreichste, informativste und lehrreichste Arbeit unter den Einsendungen, stellte die Landesbeauftragte in ihrer Laudatio fest. Ziel der Dokumentation sei zunächst einmal die Dokumentation der Geschehnisse, dann aber auch die Verwendung dieser Dokumentation als Unterrichtsmaterial. Das Projekt rege Lehrer und Schüler an, eigenständig zu recherchieren, die Ergebnisse in einer Magazinsendung zusammenzuführen und mit verteilten Rollen aufzuführen. Die Arbeit habe einen klaren hessischen Bezug und gehe auch auf den Kreis Limburg-Weilburg ein. Das Weilburger Forum habe mit der DVD die Möglichkeit geschaffen, das Geschehen von Flucht und Vertreibung in einer 50-minütigen Zusammenfassung anschaulich in den Schulunterricht zu integrieren. „Die Dokumentation ist bestens geeignet, jungen Menschen die Thematik nahe zu bringen“ lobte Ziegler-Raschdorf und gratulierte Frau Göpel und den Herren Röhrig, Gorenflo, und Schäfer zur Preisverleihung.

Projekttag der Adam-von-Trott-Schule in Sontra

Als weitere Preisträger habe sich die Jury für den Projekttag zum Thema „Geschichte und Integration der Deutschen aus Russland“ der Adam-von-Trott-Schule in Sontra und die Jahresarbeit des Abiturienten dieser Schule Marcel Isinger mit dem Titel „Erzählte Traditionen der Russlanddeutschen“ entschieden. Die Landesbeauftragte begleitete ihre Glückwünsche an die Preisträger mit der Aussage: „die Preisvergabe an Schule und Schüler ist uns eine besondere Freude und auch ein besonderes Anliegen – ist es doch gerade die Zielsetzung des Preises, vor allem junge Menschen anzuregen, sich mit diesem Teil deutscher Geschichte zu befassen.“

Die Adam-von-Trott-Schule habe unter Verantwortung ihrer Schulleiterin Susanne Herrmann-Borchert die Schulgemeinschaft ermutigt, sich mit der Geschichte der Russlanddeutschen zu befassen, da viele Spätaussiedler in den 1990er Jahren nach Sontra gekommen seien. In der Schule wurde die Wanderausstellung „Deutsche aus Russland“ der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland präsentiert und bei einem „Abend der Begegnung“ mit einer Filmvorführung, Musik, Tanz und einem Buffet mit russlanddeutschen Spezialitäten die Kultur der Russlanddeutschen einem breiten Publikum zugänglich gemacht.

Jahresarbeit zu Russlanddeutschen von Marcel Isinger

Der dritte Preisträger Marcel Isinger, der selbst russlanddeutscher Abstammung sei, habe im Jahr 2013/14 eine Jahresarbeit angefertigt, in der er sich vor dem Hintergrund seiner eigenen Familiengeschichte mit den Traditionen der Russlanddeutschen befasste. Aus Gesprächen und Interviews habe Marcel Isinger Informationen zu Traditionen, Ritualen und Lebensweisen aus dem Heimatdorf seiner Familie in Kasachstan zusammengetragen. „Damit haben Sie nicht nur Ereignisse aus ihrer eigenen Familiengeschichte dokumentiert, sondern die Traditionen  der Russlanddeutschen insgesamt beschrieben und festgehalten“, hob die Landesbeauftragte hervor. Durch Vermittlung Marcel Isingers sei schließlich die Wanderausstellung „Deutsche aus Russland“ in die Adam-von-Trott-Schule gekommen.

Ministerpräsident Volker Bouffier und Minister Stefan Grüttner überreichten den Preisträgern die Preisurkunden mit den symbolischen Schecks und übergaben Blumensträuße an die glücklichen Gewinner. Die Ausgezeichneten dankten für die erhaltenen Preise, die eine große Freude und Belohnung darstellten und gleichzeitig Ansporn seien. Alle Preisträger versicherten, der Preis motiviere sie zur Weiterbeschäftigung mit dem Thema „Flucht, Vertreibung, Eingliederung“. An die Preisverleihung schloss sich der Brauchtumsnachmittag des Bundes der Vertriebenen (BdV) an mit einem reichhaltigen musikalischen und tänzerischen Programm.

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