Die Fachkräftekommission Hessen hat ihren Abschlussbericht der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Kommissionsvorsitzende Dr. Frank Martin, Leiter der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit, hat den Bericht heute dem Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier in der Staatskanzlei überreicht. Volker Bouffier dankte den Kommissionsmitgliedern für ihre geleistete Arbeit und erklärte: „Wir werden weniger, älter und bunter. Der demografische Wandel ist eine Entwicklung, die regional unterschiedlich ausfallen wird, aber uns alle betrifft. Die wertvollste Ressource unseres Landes sind die überdurchschnittlich qualifizierten Arbeitskräfte. Diese zu sichern ist eine vorsorgende Aufgabe für die Erhaltung und die Qualität unseres Standorts und damit auch für unseren Wohlstand“, so Bouffier.

Der Ministerpräsident hatte die Fachkräftekommission am 2. November 2011 berufen. „Aufgabe dieses unabhängigen Gremiums von Experten war es, zu untersuchen, wie sich die hessische Situation an den Arbeitsmärkten aufgrund des demografischen Wandels ändern wird und wie einem künftigen Mangel an Fachkräften entgegengewirkt werden kann“, erläuterte Bouffier. Die Kommission liefere mit ihrem Bericht erstmals einen umfassenden Gesamtüberblick zur gegenwärtigen und künftigen Fachkräftesituation in Hessen. Nach den Berechnungen der Kommission wird sich das Arbeitskräfteangebot aufgrund des demografischen Wandels deutlich verringern. „Die Ergebnisse zeigen jedoch auch, dass wir uns bereits auf dem richtigen Weg befinden. Für die Arbeitsmärkte bestehen aber noch große Potentiale“, so Bouffier. „Es gibt kein ‚entweder…oder‘ sondern nur ein ‚sowohl als auch‘ – es ist Aufgabe der Politik aber auch der Bundesagentur für Arbeit, der Gewerkschaften und der Unternehmerverbände, vorhandene Potentiale auf dem Arbeitsmarkt zu erhalten oder zu aktivieren“, erklärte der Ministerpräsident.

Arbeitsbedingungen flexibel und bedarfsgerecht gestalten

„Ob ältere Menschen, Fachkräfte aus dem Ausland oder für junge Mütter, die wieder am Arbeitsleben teilhaben wollen: Unsere Unternehmen müssen die Arbeitsbedingungen so flexibel und bedarfsgerecht gestalten, dass die Teilhabe am Berufsleben für mehr Menschen längerfristig attraktiv bleibt“, sagte Bouffier. Dabei werde die Landesregierung sie weiterhin konstruktiv begleiten. „Eine Doppelstrategie aus der Nutzung und Aktivierung des hessischen Potentials an Fachkräften und der gezielten Werbung um ausländische, insbesondere europäische Fachkräfte, wird unumgänglich sein. Unabhängig davon hat auch künftig die Integration von in Hessen lebenden Arbeitskräften weiterhin Priorität“, betonte der Ministerpräsident.

Der Kommissionsvorsitzende Dr. Frank Martin erläuterte die wesentlichen Inhalte des Berichts: „Hessen ist kein Land mit großen Öl- und Gasvorkommen – unser Wohlstand steht und fällt mit der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte. Durch ein abgestimmtes und zeitnahes Agieren aller Akteure des Arbeitsmarkts kann es gelingen, die Konsequenzen der drohenden Fachkräfteverknappung deutlich abzumildern. Wichtigste Ansatzpunkte sind dabei eine weitere Optimierung des Übergangs von Schule in Beruf, eine deutliche Erhöhung der Beschäftigungsquoten von Frauen und Älteren sowie ein erheblicher Ausbau berufsbegleitender Weiterbildung. Parallel gilt es, den hessischen Arbeitsmarkt durch den Ausbau von Willkommenskultur und Willkommensstrukturen noch attraktiver für ausländische Arbeitskräfte zu gestalten.“

Zugleich signalisierte Martin die Unterstützung aller Arbeitsmarktakteure bei den kommenden Schritten. „Mit ihren Handlungsempfehlungen nimmt sich die Kommission die Freiheit, losgelöst von politischen und finanziellen Sachzwängen die Diskussion um die Fachkräftesicherung in Hessen mit weitergehenden, teils provokativen Ideen und Forderungen voranzutreiben. Dabei sind sich die Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft, der Arbeitsverwaltung sowie der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite ihrer eigenen Verantwortung bewusst und bereit, die Landesregierung bei den zukünftigen Herausforderungen zu unterstützen“, erklärte der Vorsitzende der Fachkräftekommission Hessen.

Die Kommission hat potentielle Handlungsfelder mit entsprechenden Maßnahmenvorschlägen entwickelt:

  • Optimierung des Übergangs von Schule und Beruf: Die Zahl der Personen ohne Hauptschulabschluss sollte weiter gesenkt werden, das Übergangssystem reduziert und die berufliche Orientierung verstärkt in die Schulzeit verlagert werden.

 

Erhalt individueller Beschäftigungsfähigkeit Älterer: Frühzeitige Investitionen in die Gesunderhaltung, alters- und alternsgerechte Arbeitsplätze sowie eine fortlaufende Aktualisierung von Wissen.

 

Entwicklung Lebenslangen Lernens zum Standard in Hessen: Diese Idee sei bislang nur unzureichend in der Unternehmenspraxis angekommen.

Zentrale Bedeutung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Flächendeckende, ganztägige und bezahlbare Betreuungsangebote weiter ausbauen und Attraktivität von Arbeitsplätzen, etwa durch die Beseitigung von Lohnungleichgewichten, steigern.

 

Sicherung des Arbeitsmarktzugangs für Menschen mit Behinderungen durch Inklusion: Fortführung des Inklusionsgedankens sowie mehr Transparenz über die vielfältigen Unterstützungsmöglichkeiten.

 

Ergänzung des inländischen Potentials durch ausländische Fachkräfte: Gesteuerte arbeitsmarktorientierte Zuwanderung muss diese Bemühungen sinnvoll und zielgerichtet ergänzen.

Zur Sicherung der Nachhaltigkeit der Fachkräftesicherung in Hessen wird das Land die Kommissionsvorschläge eingehend prüfen und bewerten. Anschließend soll auf der Basis der Aktivitäten, Initiativen und Vorhaben der Hessischen Landesregierung und geeigneter Kommissionsvorschläge ein Gesamtkonzept „Fachkräftesicherung Hessen“ unter Berücksichtigung der Haushaltskonsolidierungsbemühungen des Landes erstellt werden.

Die Fachkräftekommission Hessen ist mit Vertretern der Bundesagentur für Arbeit, der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, der Wissenschaft und Forschung sowie weiteren anerkannten Fachleuten und Praktikern besetzt. Dies sind im Einzelnen:

  • Dr. Frank Martin, Leiter der Fachkräftekommission Hessen und Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit

Staatsminister Michael Boddenberg, Hessischer Minister für Bundesangelegenheiten und Bevollmächtigter des Landes beim Bund

Jürgen Dolle, Personalvorstand, SMA Solar Technology AG

Prof. Dr. Michael Ehrke ( gest. 26.06.2012), Berater des IG Metall-Bezirks Frankfurt zur Berufsbildung und Qualifizierungspolitik, Lehrbeauftragter und Honorarprofessor an der Leuphana Universität

Prof. Bernd Fitzenberger, Ph.D., Inhaber des Lehrstuhls für Statistik und Ökonometrie, Albert-Ludwigs-Universität, Research Affiliate, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW), Research Fellow, Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA)

Matthias Gräßle, Hauptgeschäftsführer, Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft hessischer Industrie- und Handels-kammern

Stefan Körzell, Vorsitzender des Bezirks Hessen-Thüringen des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Stefan Schaible, Partner und Aufsichtsratsmitglied bei Roland Berger Strategy Consultants GmbH

Charlotte Venema, Leiterin Personalpolitik der Vereinigung der hessischen Unter-nehmerverbände e. V. und von HESSENMETALL, Verband der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen e. V.

Abschließend dankte Ministerpräsident Bouffier den Mitgliedern der Fachkräftekommission für ihren Einsatz: „Hierfür gilt der gesamten Kommission, allen voran ihrem Vorsitzenden Dr. Martin, unser ausdrücklicher Dank für das ehrenamtliche Engagement, die Einbringung ihres Expertenwissens, ihrer Erfahrungen und auch ihrer Zeit“, so der Ministerpräsident abschließend.


Den Kommissionsbericht können Sie hier als PDF-Dokument herunterladen.

Foto: B. Kleeblatt (Hessische Staatskanzlei)

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