Herr Ministerpräsident, mit welchen Zielen und Erwartungen geht die Hessische Landesregierung in den diesjährigen Hessentag?

Der Hessentag lebt von den Menschen, die auf ihm zusammen kommen, um zu feiern und unser Land in all seiner Vielfalt zu entdecken. Von Ministerpräsident Georg August Zinn ins Leben gerufen, um nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Hessinnen und Hessen mit Vertriebenen und Flüchtlingen zusammenzubringen, bringt dieses große Fest noch heute die unterschiedlichsten Menschen einander näher. Zahlreiche Vereine, Verbände und Institutionen, die mit rund 1.000 Veranstaltungen ein buntes Bild unseres Landes zeichnen, leisten hierzu einen wichtigen Beitrag. Ohne die Ehrenamtlichen, die ihre Stadt als herausragende Gastgeberin präsentieren und bekannt machen, wäre eine solche Veranstaltung nicht denkbar. Jeder Hessentag ist einzigartig, doch sein Kern bleibt immer gleich: Er verändert das Gesicht und stärkt das Herz der Kommunen. Hofgeismar zeigt in diesem Jahr, dass auch eine Kleinstadt eine großartige Gastgeberin sein kann. Das Märchenland Reinhardswald ist nur eine von vielen Sehenswürdigkeiten der Region. Nicht nur aus diesem Grund ist die diesjährige Hessentagsstadt immer eine Reise wert.

In welcher Weise kann die Kleinstadt Hofgeismar durch das „Fest der Hessen“ profitieren? (Die „Nassauische Heimstätte/Wohnstadt“ forciert Stadtentwicklungsprojekte, Häuserbau, Modernisierung, aktive Kernbereiche.) Mit welchen nachhaltigen Fördermaßnahmen des Landes kann die Dornröschenregion rechnen?

Der Hessentag ist mit einem Imagegewinn für die ausrichtenden Städte verbunden, weit über die Landesgrenzen hinaus. Unser Landesfest dauert zehn Tage, wirkt aber für Jahrzehnte und ist identitätsstiftend für eine ganze Region. Wie die Erfahrung zeigt, profitieren auch ortsansässige Unternehmen des Handels, der Dienstleistung, des Handwerks und des Hotel- und Gaststättengewerbes von den Gästen. Darüber hinaus werden Infrastrukturvorhaben umgesetzt, die ohne das Landesfest gar nicht oder deutlich später realisierbar wären. Dazu tragen sowohl Landes- als auch Bundesmittel bei. Diese Mittel lösen wiederum zusätzliche Investitionen der Wirtschaft aus. Kurzfristig wird mehr Umsatz verbucht, langfristig profitieren die Gemeinden und die jeweilige Region vom zusätzlichen Steueraufkommen. In Hofgeismar unterstützt das Land beispielsweise die Neugestaltung der Fußgängerzone sowie den Neubau des Bahnhofs.

Stichwort „Provinz reloaded“. Wie kann dem demografischen Wandel, vor allem der Landflucht, begegnet werden? Was kann das Land für Stadtentwicklung und den Ausbau günstiger öffentlicher Verkehrsmittel in der Region tun?

Die Frage, ob es uns gelingt, eine Kommune oder eine Region für die Menschen attraktiv und lebenswert zu erhalten, ist in erster Linie eine Frage der Gestaltung vor Ort. Dabei kommt es nicht allein darauf an, wie viele Menschen in einem Ort leben. Viel wichtiger ist das Wie –und das können die Bürgerinnen und Bürger als Gemeinschaft mitgestalten. Wir als Land unterstützen daher Modellregionen und innovative Projekte, die passgenaue Lösungen entwickeln, zum Beispiel Mobilitätskonzepte, die alternative Verkehrsangebote wie Ruf- oder Bürgerbusse sowie private Mitfahrgelegenheiten einbinden. Außerdem bieten wir eine Reihe weiterer Fördermöglichkeiten an, um die Stadtzentren vielfältig und lebendig zu erhalten. Dieses Ziel verfolgen wir auch mit unserem Dorfentwicklungsprogramm. Ebenfalls im Blick haben wir die ärztliche Versorgung auf dem Land. Wir setzen Anreize für interkommunale Zusammenarbeit und stärken das bürgerschaftliche Engagement mit den Maßnahmen unserer Landesehrenamtsagentur oder der Landesstiftung „Miteinander in Hessen“. Es gibt viel zu tun, und wir arbeiten weiter daran, dass es sich in Hessen überall gut leben lässt. Hier in Hofgeismar zeigt es sich: Wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen, dann gelingt das auch.

Das Interview ist am 20./24 Mai 2015 in einer Sonderveröffentlichung der Zeitung „Die Welt“ erschienen und wurde von Dr. Claudio Funke geführt. 

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