Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zeigt sich Ministerpräsident Volker Bouffier mit seiner Reise nach New York zufrieden: Die Manager der beiden Börsen, die fusionieren wollen, wissen jetzt besser denn je, dass die hessische Börsenaufsicht genau hinschaut. 

Lesen Sie hier das Interview:

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Sie haben gut eine Stunde lang in New York mit dem Chef der New York Stock Exchange, Duncan Niederauer, und Reto Francioni von der Deutschen Börse gesprochen. Hat es sich gelohnt?

Volker Bouffier: Wir hatten ein sehr offenes, vertrauensvolles Gespräch. Und ich glaube, dass Duncan Niederauer und Reto Francioni gemerkt haben, dass wir unseren Auftrag als Börsenaufsicht sehr ernst nehmen und genau wissen wollen, welche Folgen die geplante Fusion für Frankfurt hat. 

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Und, welche Folgen wird die Fusion haben wird sich der Konzern auf Dauer zwei Zentralen in Frankfurt und New York leisten? 

Volker Bouffier: So ist es zumindest geplant. Aber das Geschäft an den Finanzmärkten entwickelt sich rasant. Noch vor zehn Jahren spielte zum Beispiel der Derivatehandel kaum eine Rolle, heute ist er das wichtigste Geschäftssegment der Deutschen Börse. Was also in zehn Jahren sein wird, kann niemand seriös vorhersagen, und an solcher Glaskugelleserei möchte ich mich auch nicht beteiligen. 

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Aber die jetzt geplanten Strukturen gelten nur bis 2015. Sehen Sie eine Möglichkeit sicherzustellen, dass Frankfurt danach nicht in dem von amerikanischen Eignern dominierten Konzern untergeht?

Volker Bouffier: Die beiden Vorstandsvorsitzenden haben zugesagt, dass sich auch nach 2015 das Kräfteverhältnis von 60 Prozent Deutscher Börse und 40 Prozent Nyse in den Konzernstrukturen abbilden soll. Das hängt allerdings stark von der Entwicklung der Märkte ab, in denen das Unternehmen tätig ist. Es ist sehr schwierig, diese Marktentwicklung vertraglich über 2015 hinaus festzulegen. Wir als Land Hessen müssen uns aber ein Eingriffsrecht vorbehalten, um den Fortbestand und die Weiterentwicklung des Börsenplatzes Frankfurt sicherzustellen. 

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Aber Stellen werden auf jeden Fall abgebaut? 

**Volker Bouffier: **Beide haben versichert, dass es bisher noch keine betriebsbedingten Kündigungen gab, und das soll auch so bleiben. Wenn die Fusion gut verläuft, können auf lange Sicht auch Arbeitsplätze aufgebaut werden. Das hängt von der Geschäftsentwicklung ab. Die beiden Vorstandsvorsitzenden haben aber offen gesagt, dass sie keine Arbeitsplätze abbauen wollen, es aber auch nicht ausschließen können. Eine solche Aussage finde ich schon einmal besser, als wenn jemand Versprechungen macht, die er dann nicht einhält. 

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Sind das nicht ein bisschen viele Ungewissheiten? 

**Volker Bouffier: **Die gäbe es auch ohne die Fusion. Man muss ja bedenken, wie der Finanzplatz sich ohne den Zusammenschluss entwickeln würde. Früher fanden Börsengänge großer deutscher Unternehmen stets in Frankfurt statt, dann gingen Unternehmen wie Siemens an die New Yorker Börse, inzwischen gehen auch deutsche Unternehmen zuerst an asiatische Börsen, um Kapitalgeber zu finden. 

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Wäre es dann nicht klüger, die Deutsche Börse fusionierte mit einem aufstrebenden asiatischen Börsenbetreiber statt mit der großen, stolzen Nyse? 

Volker Bouffier: Zu solch einem Zusammenschluss gehören immer zwei. Und die Börsen in Schanghai, Hongkong oder Singapur sind inzwischen vom Marktwert längst größer als die Deutsche Börse. Da wären wir nur Juniorpartner das macht keinen Sinn. 

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Kritiker bemängeln vor allem die starke Position des künftigen Vorstandsvorsitzenden Niederauer in New York, der zum Beispiel allein entscheiden kann, wenn keine Einstimmigkeit im Vorstand besteht.

Volker Bouffier: In Amerika findet die gleiche Debatte spiegelverkehrt statt. Hier wird vor allem kritisch betrachtet, dass im Führungsgremium der Nyse demnächst so viele Nichtamerikaner sitzen werden und der Verwaltungsratsvorsitzende Francioni sein wird. Duncan Niederauer hat mir gesagt, dass es sich bei dieser Befugnis um ein Notrecht handelt, um einen solchen Konzern handlungsfähig zu halten. Er gehe aber nicht davon aus, dass er sein Vetorecht jemals einsetzen werde. Abberufen werden kann der Vorstandsvorsitzende übrigens vom Verwaltungsratsvorsitzenden, also von Francioni. 

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Auch in Ihrer Partei wächst die Skepsis. Die hessische Mittelstandsvereinigung der CDU zum Beispiel fürchtet, dass sich Mittelständler künftig schlechter über die Börse finanzieren könnten. 

Volker Bouffier: Eine Meinung, die man respektieren muss, aber der klassische hessische Mittelstand ist von der Börse überhaupt nicht betroffen. Natürlich nehme ich die vorgebrachten Sorgen ernst, aber ob die Börse von einem internationalen Konzern oder einem heute schon global aufgestellten deutschen Unternehmen betrieben wird, hat, glaube ich, keine Auswirkungen auf die Finanzierungsmöglichkeiten des Mittelstands. 

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Angenommen, Sie müssten jetzt über die Genehmigung der Fusion entscheiden, wäre Ihre Antwort ja oder nein? 

Volker Bouffier: Wir haben immer klargemacht, dass wir erst die Entscheidung der Wettbewerbshüter in Brüssel abwarten, ehe wir entscheiden. Damit ist nach jetzigem Stand erst im Januar zu rechnen. Wir sind noch mitten in der Diskussion. 

Die Fragen stellte Tim Kanning.

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