Ministerpräsident Volker Bouffier im Interivew mit der Frankfurter Neuen Presse über die Koalition mit den Grünen, den Zusammenhalt in der Union und die großen Zukunftsaufgaben im Land. 

**FNP:** Sie wirken entspannter denn je. Liegt das daran, dass Sie alle Ihre Ziele schon erreicht haben?

**Volker Bouffier:** Ich bin recht zufrieden. Es ist uns gelungen, eine ungewöhnliche und für Deutschland neue Kombination auf den Weg zu bringen. Dafür erfahren wir auch viel Sympathie, und die Arbeit macht Spaß. Das mag dazu beitragen, dass ich entspannt bin. Wir haben aber noch viel Arbeit vor uns.

**FNP:** Werden Sie von Parteifreunden aus anderen Bundesländern angerufen und gefragt, wie das so geht mit Schwarz-Grün?

**Bouffier:** Ja, wir erfahren sehr viel Aufmerksamkeit. Sowohl wir als auch die Grünen haben von Anfang an großen Wert darauf gelegt, dass wir nicht ein Modell für Deutschland generieren wollen. Das sind wir nicht, wir sind eine stabile Regierungskoalition. Auf der anderen Seite ist aber schon klar, dass wir sehr aufmerksam beobachtet werden. Und wenn wir das hier erfolgreich machen, wird es sicher für andere auch eine Überlegung sein, ob man solche Kombinationen erfolgreich zusammenführen kann. Interessanterweise melden sich nicht nur Unionsleute, sondern Interessenten quer durch die Parteienlandschaft.

**FNP:** Was erzählen Sie denn denen?

**Bouffier:** Dass es gut funktioniert. Es überrascht viele, dass wir nicht als Streitbündnis auftreten.

**FNP: **Sie erhoffen sich ja selbst mit dieser Koalition Geschichte zu schreiben. Wir groß ist ihre persönliche Leistung am Zustandekommen des historischen Bündnisses?

**Bouffier: **Das müssen am Ende andere beurteilen. Klar ist aber: Ohne die Spitzenkandidaten ist ein solches Bündnis nicht vorstellbar.

**FNP:** Umfragen geben Ihnen und Ihrer Partei viel Aufwind. Wie hat die CDU das geschafft?

**Bouffier:** Unser hohes Maß an Geschlossenheit ist die Grundlage für politische Handlungsfähigkeit. Das geht nur mit einer sehr engen Bindung des Vorsitzenden an diese Partei. Die CDU ist in Hessen nun schon seit 14 Jahren die stärkste Kraft. Das war nicht selbstverständlich nach vielen Jahrzehnten unter SPD-Führung. Und wir profitieren mit Sicherheit auch vom großen Ansehen unserer Bundesvorsitzenden.

**FNP:** Nach den neuesten Zahlen sieht es aber so aus, dass zwar die CDU gewinnt, aber die Grünen verlieren. Ist das nicht gefährlich?

**Bouffier:** Das würde ich so nicht stehen lassen. Vor einem Monat hatten auch die Grünen in Ihrer Forsa-Umfrage zugelegt. Den neuesten Trend betrachte ich nüchtern, das darf man nicht überbewerten

**FNP: **Wie haben Sie es denn geschafft, die Grünen so schnell auf ihre Geschlossenheitslinie zu bringen?

**Bouffier:** Wir erkennen die Vergangenheit so an, wie sie war und haben uns sehr früh darauf verständigt, dass das Profil beider Parteien erkennbar bleiben muss. Wenn wir aber die Zukunft gemeinsam angehen wollen, müssen wir gemeinsam so viel zusammenbinden, dass man darauf stabil fünf Jahre bauen kann. Das haben wir geschafft, auch im atmosphärischen Umgang miteinander. Wir haben Respekt voreinander, können aber durchaus auch Dissens ertragen.

**FNP:** An welchen Punkten gibt es denn Dissens?

**Bouffier: **Zuerst einmal: Wir werden mehr Konsens als Dissens haben. Der Spirit einer Koalition zeigt sich aber dann, wenn Probleme auftreten, die man nicht vorhersehen konnte. Beispiel: Als wir den Koalitionsvertrag geschlossen haben, konnte niemand ahnen, was Herr Gabriel plötzlich zur Energiewende vorträgt. Wir haben sehr schnell einen gemeinsamen Nenner gefunden, um unsere hessischen Interessen durchzusetzen. Dabei hat sich dennoch keiner von uns verrenkt.

**FNP:** Trotz dieser positiven Bilanz betonen Sie immer wieder, Hessen sei kein Modell für den Bund. Warum wäre eine schwarz-grüne Koalition im Bund schwieriger?

**Bouffier:** Es wäre nicht grundsätzlich schwerer, es ist aber einfach eine andere Dimension. Vor allem braucht man handlungsfähige politische Führer. Die Grünen im Bund waren nicht handlungsfähig, und sie wurden auch nicht geführt. Sie sind es bundespolitisch bis heute nicht. 2017 kann die Welt aber anders aussehen.

**FNP:** Wo liegen denn die Knackpunkte bei den Haushaltsberatungen in Hessen?

**Bouffier:** Arbeit, Wohnung und Verkehr sind unsere großen Zukunftsaufgaben. Die größte Herausforderung ist zunächst, dass wir im Jahr 2019 nach 50 Jahren zum ersten Mal vor das Volk treten wollen und sagen: Wir haben keine neuen Schulden gemacht. Wenn wir nicht mehr in den Länderfinanzausgleich einzahlen müssten, hätten wir das Problem gelöst. Das können wir aber nicht alleine lösen, und es wird noch dauern. Also müssen wir schauen: Wo geht es auch mit weniger Geld? Bildung hat bei uns hohe Priorität: Lehrerstellen wollen wir trotz sinkender Schülerzahlen nicht einsparen. Einer der Knackpunkte wird sein, dass wir den kommunalen Finanzausgleich neu ordnen müssen.

**FNP: **Sie haben kürzlich in einem Interview gesagt: Beim Flughafen gibt es keinerlei Differenzen zwischen CDU und Grünen. Meinen Sie das ernst?

**Bouffier:** Ja, weil das gilt, was wir in den Koalitionsvertrag geschrieben haben. Das stellen wir nicht in Frage und die Grünen auch nicht. Wir arbeiten gemeinsam daran, dass der Flughafen wettbewerbsfähig bleibt und dass es leiser wird. Das gelingt auch.

**FNP:** Und was ist mit dem Terminal 3?

**Bouffier: **Das wird überprüft. Am Ende ist aber völlig klar: Über den Bau entscheidet nicht die Landesregierung, sondern Fraport. Das ist unsere gemeinsame Position – auch wenn die Grünen eine andere politische Meinung dazu haben. Außerdem prüfen wir intensiv, welche Alternativen es gibt und welche Erwartungen vielleicht überzogen sind.

**FNP: **Heißt das, wenn Fraport-Chef Schulte sagt, das Terminal 3 ist unverzichtbar, was er schon häufig wiederholt hat, wird es auch kommen?

**Bouffier:** Ich bin mir sicher, dass wir mit Fraport zu konstruktiven Lösungen kommen. Sie dürfen aber nicht vergessen, dass sie den Bau schon längst genehmigt bekommen haben. Jetzt geht es um die spannende Frage: Wie entwickeln sich die Passagierzahlen? Wir haben aber schon jetzt einen Mangel an Komfort, weil viele Flugzeuge auf dem Vorfeld abgefertigt werden. Da suchen wir noch nach Alternativen. Das alles muss am Ende abgewogen werden.

**FNP:** Was halten Sie von der Rente mit 63 – auch in Bezug auf ihre eigene politische Karriere?

**Bouffier: **Wenn wir in Berlin alleine hätten entscheiden können, hätten wir die Rente mit 63 nicht gemacht. Da wir eine Koalition sind, geht es jetzt darum zu verhindern, dass ein Frühverrentungsprogramm daraus wird. Das heißt, die beitragsfreien Zeiten dürfen nicht am Ende liegen. Und zum zweiten Teil Ihrer Frage: Mit mir müssen Sie noch lange rechnen.

**FNP:** Wünschen Sie sich manchmal das Bündnis mit der FDP zurück?

**Bouffier:** Es war eine gute und erfolgreiche Zeit mit der FDP als Regierungspartner, aber wir haben jetzt eine andere Situation.

**FNP:** Die FDP hat ihre Haltung gegenüber der CDU ja sehr verändert. Wie beurteilen Sie das?

**Bouffier:** Die FDP ist in einer schwierigen Situation. Sie suchen noch ihren Weg. Ich wäre aber schon froh, wenn es gelänge, dass sich alle Beteiligten angemessen verhalten würden.

**FNP: **Wie haben Sie es denn geschafft, Jörg-Uwe Hahn davon zu überzeugen, auf seinen Sitz im Fraport-Aufsichtsrat zu verzichten?

**Bouffier:** Das lief sehr vertraulich ab. Ich glaube, ihm war schon klar, dass das Land Hessen als größter Anteilseigner dort mit beiden Regierungsparteien vertreten sein sollte. Man ist dort nicht als Privatperson in Verantwortung, sondern als Repräsentant des Landes abgeleitet von einer Regierungsverantwortung.

**FNP:** Sie haben immer wieder betont, eine Koalition mit den Grünen sei zukunftsfähiger als mit der SPD. Wie meinen Sie das?

**Bouffier: **Im Bündnis mit den Grünen ergänzen sich die Kompetenzen, die unseren beiden Parteien zugesprochen werden: Wirtschaft, stabile Arbeitsplätze, innere Sicherheit bei der Union. Die Grünen haben hohe Kompetenzwerte bei den Themen Umwelt, Ressourcenschonung, gesunde Ernährung, Verbraucherschutz etc. Das wollen wir zusammenführen. Mit der SPD wäre das nicht gegangen. Eine große Koalition ist auch immer nur dann die Antwort, wenn eine Regierung anders nicht gebildet werden kann. Normalerweise erheben sowohl die Union als auch die SPD ihren politischen Führungsanspruch.

**FNP:** Während des Wahlkampfs hatten Sie Ihrem Widersacher Thorsten Schäfer-Gümbel ja wiederholt unterstellt, er würde im Zweifelsfall ein Linksbündnis eingehen. Das hat er aber nicht getan. Wie ist Ihr Verhältnis jetzt?

**Bouffier: **Unser Verhältnis ist ordentlich. Dass es nicht zu einem Linksbündnis kam, lag aber auch daran, dass die Grünen nicht mitmachen wollten.

**FNP:** Die G8-Wahlfreiheit für Gymnasien war ein geschickter Coup, um sich für Koalitionen jenseits von Schwarz-Gelb zu öffnen. Die jetzige Erweiterung für die 7. Klassen hat aber erneut mehr Unruhe gebracht als Befriedung, weil es von Schulgremien weitgehend abgelehnt wird, bevor es überhaupt zur Befragung der Eltern kommt. Haben Sie noch Hoffnung auf Schulfrieden?

**Bouffier: **Wir haben durchaus Schulen, wo das Nebeneinander von G8 und G9 gelingt. Am Ende muss die Schule aber wollen. Und diese Wahlfreiheit wollen wir. Ich habe Verständnis dafür, dass aktuell Unruhe entsteht; das wird sich wieder beruhigen. Wir können nunmal nicht allen Eltern ein individuelles Angebot machen. Es wird aber zu einem Schulfrieden in Hessen kommen.

 

Quelle: Frankfurter Neuen Presse (Ausgabe vom 02. Mai 2014)

Link:  www.fnp.de/rhein-main/Mit-mir-muessen-Sie-noch-lange-rechnen;art801,835126

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