Der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier hat mit der BILD-Zeitung über Gewalt im Fußball gesprochen. Lesen Sie hier das Interview:

BILD: 1000 Polizisten müssen ein Viertliga-Spiel im Osten sichern, Krawalle im oder ums Stadion, jetzt sogar Überfälle auf Fans auf Autobahnen oder beim Aussteigen aus dem Bus - das alles gehört leider zur Normalität rund um Fußball-Spiele.

Volker Bouffier: Ich mache mir große Sorgen. Das, was dort stattfindet, kann so nicht weitergehen. Das schadet dem Sport, das schadet dem Fußball. Wir haben das Gewalt-Problem zwar in den Stadien besser in den Griff bekommen - leider hat sich die Gewalt jetzt auf Busse oder Bahnen verlagert. Ein sehr schwieriger, weil schwer zu kontrollierender Komplex. Dann gibt es Leute, die gar nicht ins Stadion wollen, sondern sich nur davor treffen, um sich zu prügeln. Und schließlich gibt es das Gewalt-Phänomen bis in die Kreisklasse, wo ja auch schon ganze Spieltage ausgefallen sind.

BILD: Was muss passieren, damit es besser wird?

Volker Bouffier: Ich glaube, dass dazu eine ganz klare, harte Haltung notwendig ist. Ich finde es absurd, dass wir über das kontrollierte Abbrennen von Bengalos (bis zu 1000 Grad, vom Gesetzgeber verboten, die Red.) ernsthaft diskutieren. Die Gefahr, die trotzdem bestehen würde, könnte man nicht vertreten. Wir müssen schon im Ansatz die Krawalle verhindern, in dem wir Aufenthaltsverbote durchsetzen. Und es wird nicht anders gehen: Wir müssen die Spiele entzerren.

**BILD: **Was meinen Sie damit?

Volker Bouffier: Nehmen wir den 1. Mai als Klassiker. Da gibt es bundesweit große Demonstrationen, in Berlin mit großer Krawallgefahr - da muss man die Polizei nicht noch mehr belasten, in dem man eine Reihe von Spielen rund um diesen Termin ansetzt. Außerdem bin ich dafür, dass man potenzielle Störer schon im Vorfeld versucht, in den Griff zu bekommen: Durch Meldepflicht bei der Polizei, dass sie gar nicht zu den Spielen anreisen dürfen.

BILD: Das geht aber nur, wenn Verbände, Vereine und Polizei eng zusammenarbeiten.

Volker Bouffier: Das geschieht schon, aber das kann und muss noch verbessert werden.

**BILD: **Die Fußball-Vereine wirken ratlos, weil sie nicht mehr an die Krawall-Fans herankommen.

**Volker Bouffier: **Man soll versuchen, die zu erreichen, die noch erreicht werden können. Manche lassen sich aber nicht mehr erreichen. Aber eins muss klar sein: Wer andere überfällt, um sie zu verletzen, wer öffentliches Eigentum zerstört, dem kann man kein Pardon geben.

**BILD: **Kann man Verbände und Vereine überhaupl verantwortlich für diese Dimension der Gewalt machen?

**Volker Bouffier: **Darüber kann man im rechtlichen Sinne lange diskutieren. Aber das Ereignis schafft ein Umfeld, und das müssen wir - Staat und Vereine - in den Griff bekommen. Was wir nicht akzeptieren können, ist, dass Vereine sagen: ,Wir können nichts dafür!' Die Vereine müssen mithelfen, wo sie nur helfen können. Das erste ist, dass es kein falsches Verständnis oder Kumpanei mit diesen Leuten gibt.

**BILD: **Haben Sie denn das Gefühl, dass Vereine zu weich sind?

Volker Bouffier: Im Großen und Ganzen nicht, aber vereinzelt würde ich mir eine klarere Distanzierung wünschen. Wenn es stimmt, dass es Verneine gibt, die bei Jahres-Hauptversammlungen auf diese große Gruppe Rücksicht nehmen müssen, um gewählt zu werden, dann ist das eine grobe Fehlentwicklung.

**BILD: **Muss die Sicherheit um die Stadien noch größer werden? Zuletzt wurden verstärkt Spürhunde eingesetzt, um Pyrotechnik zu vermeiden.

**Volker Bouffier: **Das Entscheidende ist die Schutzfunktion gegenüber dem Bürger, die hört nicht am Stadion-Eingang auf. Im Zweifel müssen wir da noch intensiver schauen, wie Taschen und Zuschauer kontrolliert werden. Ich möchte nicht, dass erst etwas passiert, wenn etwas Schlimmes passiert ist. Nach schweren Ausschreitungen heißt es dann nämlich: "Wie konnte so etwas geschehen?" Dann gibt es Betroffenheits-Arien. Wir müssen vorher, jetzt etwas machen. Das ist gute Sicherheits-Politik.

**BILD: **Was muss konkret geschehen?

**Volker Bouffier: **Im Zweifel muss man eben dreimal vor dem Stadion kontrollieren, das lässt sich dann vielleicht nicht vermeiden. Wenn der Preis für Sicherheit ist, stundenlang vorher am Stadion zu sein, müssen wir das akzeptieren, dessen muss sich jeder bewusst sein. Wir dürfen das nicht verniedlichen. Dann wird eben drei Stunden vor dem Spiel kontrolliert - oder das Spiel findet nicht statt.

**BILD: **Wie groß ist die gesellschaftliche Schuld an dieser Situation? Die Respekts- bzw. Toleranz-Grenze ist in den letzten Jahren bei jungen Leuten gesunken.

Volker Bouftier: Ich halte nichts davon, hier zuerst bei der Gesellschaft die Schuld zu suchen. Jeder muss hier selbst Verantwortung tragen. Da ist doch niemand dabei, der aus Hunger oder irgendeiner anderen Not prügelt, sondern das sind Leute, die sich nicht an die Regeln halten.

**BILD: **Macht die Eintracht genug?

Volker Bouftier: So wie ich das sehe, geben sie sich große Mühen.

**BILD: **Was kommt nach Geisterspielen? Spiele absagen?

**Volker Bouffier: **Wenn nichts anderes mehr geht, ja. Wenn man die Sicherheit nicht gewährleisten kann, muss das passieren - dann findet das Spiel eben nicht statt. So was gibt's in anderen Ländern immer wieder.

Die Fragen stellte Thomas Sulzer.

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