Ministerpräsident Volker Bouffier hat heute in seiner Regierungserklärung zur zukünftigen Energiepolitik in Hessen für einen gesellschaftlichen Konsens geworben. Die Vorkommnisse in Japan verlangten neue Maßstäbe des politischen Handelns. Deshalb habe die Hessische Landesregierung in der vergangenen Woche zum ersten Hessischen Energiegipfel mit den Fraktionsvorsitzenden der im Landtag vertretenen Parteien, den Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, kommunalen Spitzenverbänden und der Energiewirtschaft eingeladen. Dessen Ziel sei es in rationaler Diskussion, realistische Ziele zu definieren, die auf gesellschaftliche Akzeptanz stießen, um eine Energiewende zu vollziehen, die gleichzeitig Arbeitsplätze und Wohlstand sichere.

Sichere, umweltschonende und bezahlbare Energie

„Dabei wollen wir unsere zukünftige Energiegewinnung sicher, umweltschonend und bezahlbar gestalten!“, so der Ministerpräsident vor den Abgeordneten des Hessischen Landtages. Damit die Bevölkerung diesen Weg mitgehe mahnte Bouffier einen parteiübergreifenden Konsens an: „Wir treten ein in den Dialog um die Sache – und nicht in den Monolog der Ideologien“. Es gehe darum, den bereits beschlossenen Atomausstieg in vertretbarer Zeit umzusetzen, dabei sei klar, dass der deutsche Ausstieg aus der Kernenergie nach Japan schneller komme als geplant. Dies sei der Wille einer großen Mehrheit der Menschen im Land, sagte Bouffier und wies zugleich auf oftmals kritische und ablehnende Haltungen vor Ort beim Ausbau der Energienetze und bei der Installation neuer Windkraftanlagen hin. „Einfach nur zu fordern, die Kernkraftwerke in Deutschland sofort abzuschalten, greift zu kurz und löst unsere Probleme nicht“, so Bouffier weiter.

Widersprüche bei der Energiepolitik absehbar – gesellschaftlich gewollt, heißt nicht immer vor Ort akzeptiert

Die Hessische Energiepolitik stehe vor großen Herausforderungen und werde bei aller Diskussion fundamentale Widersprüche auszuhalten haben. Konkret sprach Bouffier die Lage seit Beginn des Moratoriums an. Täglich würden rund 3000 Megawattstunden Strom aus Frankreich und Tschechien importiert, dies sei Strom aus Kernkraft. „70 Prozent unserer Bürger halten das, wie ich finde zu Recht, für Unsinn“, bekräftigte Bouffier und stellte die Frage: „Wie erklären wir unserer Bevölkerung, dass nicht nur in den USA oder den Schwellenländern wie China die Kernkraftnutzung beibehalten und ausgebaut werden soll, sondern auch unsere europäischen Nachbarn genau den entgegengesetzten Weg gehen?“

Bouffier forderte im Landtag deshalb: „Wir werden unserer Verantwortung nicht gerecht, wenn wir nur sagen, was wir nicht wollen. Wir müssen belastbar und nachvollziehbar den Menschen die realistischen Alternativen aufzeigen.“

Bezahlbare Energiesicherheit ist wichtig für Wirtschaft und Verbraucher

Dazu gehöre auch deutlich zu machen, dass Hessen als Industriestandort und Verkehrsknotenpunkt bezahlbare und jederzeit verfügbare Energie brauche. „Wir müssen darauf achten, dass die Energiekosten nicht so hoch werden, dass Betriebe abwandern oder hier nicht mehr investieren“, sagte der Ministerpräsident. Alternative Energien könnten derzeit den Energiebedarf in sehr energieintensiv produzierenden Unternehmen noch nicht zuverlässig decken. Auch seien die sozialen Belange der Bürgerinnen und Bürger nicht aus dem Auge zu verlieren. Für Familien und Geringverdiener, die zur Miete wohnten sei eine Strompreiserhöhung um mehrere Euro pro Monat eine erhebliche Belastung. Deshalb bekräftigte der Ministerpräsident: „Umwelt- und Klimaschutz in der Energiepolitik darf nicht ohne Rücksicht auf Kosten für die Arbeitnehmer, Rentner, Familien und Geringverdiener gehen“.

Energiekonzept der Landesregierung

All diese Überlegungen seien auch der Rahmen für die Weiterentwicklung des Energiekonzeptes der Landesregierung, dass 2010 mit dem Bericht des Energie-Forums Hessen 2020 vorgelegt wurde. Für die Energieeinsparung und Steigerung der Energieeffizienz sowie der Ausbau der Erneuerbaren Energien seien klare Zielvorgaben, die ambitioniert, aber erreichbar seien, gemacht worden. So solle der Endenergieverbrauch bis 2020 um 20 Prozent gesenkt und der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch (ohne Verkehrssektor) auf 20 Prozent erhöht werden. Bouffier kündigte an, über die Erhöhung der Zielmarken mit sich reden zu lassen, ohne das Ziel einer bezahlbaren Energie aus den Augen zu verlieren. Wichtiger als die Frage der Prozentsätze seien aber doch die beachtlichen Fortschritte, die Hessen laut der Bundesländer-Verlgeichsstudie der Agentur für Erneuerbare Energien gemacht habe. So belege Hessen bei der Bewertung der Landespolitik zur Bioenergie Platz 1 in einer Verbändebefragung und liege auf Platz 4 bei der Vorbildfunktion in der Nutzung Erneuerbarer Energien. Hier werde anerkannt, so der Ministerpräsident, dass die Landesliegenschaften seit Januar 2010 zu 100 Prozent mit Ökostrom versorgt werden. Volker Bouffier verwies außerdem auf den dynamischen Anteil der Biomasse an der Stromerzeugung, der sich als „wichtigster Träger der erneuerbaren Energien in Hessen in den letzten Jahren“ entwickelt habe. Wärme und Strom aus Holz oder Biogas sorgten in Hessen derzeit für 80 Prozent der regenerativen Energieerzeugung. Das seien 10 Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt.

Ministerpräsident Bouffier bekräftigte im Plenum außerdem, dass mit dem schnelleren Ausstieg aus der Kernenergie die Windkraft stärker in den Fokus rücke und wies zugleich darauf hin, dass „keine der erneuerbaren Energien auf so erbitterten Widerstand vor Ort stößt wie die Windkraft“. Die Akzeptanz zu fördern sei eine große und schwierige Aufgabe. Auch müsste geprüft werden, ob Beteiligungsmodelle wie Bürgerwindanlagen hier hilfreich seien und die interkommunale Zusammenarbeit in diesem Bereich verstärkt werden.

Ein wichtiger Punkt bei der Durchsetzung sei auch das Planungsrecht. Bouffier kündigte an, dass im Landesentwicklungsplan ausreichende Windvorrangflächen ausgewiesen würden und in absehbarer Zeit eine Windkarte zur Verfügung stünde, die die optimale Auswahl von Vorrangflächen und eine Kosten-Nutzen-Analyse für die Windkraft erst ermögliche. Selbst wenn es gelingen würde bei der Bevölkerung Akzeptanz zu erreichen, würden die Kapazitäten noch lange nicht ausreichen. Dafür sei zum Beispiel der Ausbau von Hochspannungsnetzen notwendig. 3400 Kilometer Leistungsnetze würden mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien zu errichten sein, so Bouffier weiter. Der Ministerpräsident plädierte außerdem für eine Straffung der Planungs- und Genehmigungsverfahren und wies auf die Innovationskraft der Erneuerbaren Energien hin.

Die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten können Sie hier als PDF herunterladen.

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