**Islamistischer Terrorismus Schwerpunkt des Verfassungsschutzes/Steigerung linksextremistischer Straf- und Gewalttaten/„ORTET“ beobachtet verstärkt Internetaktivitäten von Extremisten

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(Pressemitteilung des HMDIS vom 26.04.2010) - Wiesbaden. – „Der islamistische Terrorismus bildet mit Recht nach wie vor einen wichtigen Schwerpunkt der Arbeit des hessischen Verfassungsschutzes“, sagte Innenminister Volker Bouffier zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes. Sorge bereiten ihm weiterhin Ausreisepläne von Islamisten, die sich in Terrorcamps ausbilden lassen wollten. „Allein in Hessen konnten 2009 fünf Ausreisen mutmaßlicher gewaltbereiter Jihadisten verhindert werden. Dies unterstreicht, wie zutreffend die Prognosen des Verfassungsschutzes waren, vor dem Phänomen der möglichen Ausreisen radikalisierter Muslime zu warnen“, so Bouffier weiter. Der Minister hob außerdem hervor, dass die Zahl deutschsprachiger, islamistisch-terroristischer Propagandabeiträge im Internet stark angestiegen sei und die technische Qualität der Jihadvideos sich verbessert habe.

 Vernetzte Präventionsoffensive weiter ausgebaut

Angesichts dieser Entwicklung rief Bouffier dazu auf, die Anstrengungen im Bereich der Prävention weiter zu verstärken. „Wir müssen zeigen, dass wir Extremisten in Hessen keinen Raum lassen. Dazu bauen wir unsere Gegenoffensive zur extremistischen Propaganda weiter aus“, sagte Bouffier. Aus seiner Sicht gehören die Politik, gesellschaftliche Gruppierungen und Vereine als Sicherheitspartner in den Kreis der Unterstützer. „Wir müssen uns stärker vernetzen, um das wichtigste Ziel zu erreichen: Dass wir glaubwürdig und kompetent an die herantreten, denen wir Orientierung geben müssen“, sagte Bouffier. Alle Partner, gerade auch aus den Kommunen, würden dazu mit Handreichungen und Infos unterstützt.

Der Minister rückte weiter die aktuelle Entwicklung im Bereich des Linksextremismus in den Blickpunkt. „Wir stellen fest, dass wir ähnlich wie im gesamten Bundesgebiet eine Zunahme der Straf- und Gewalttaten zu verzeichnen haben. Besonders markant ist der Anstieg der Straf- und Gewalttaten, die sich gegen „Rechte“ richten, also im Rahmen des sogenannten „antifaschistischen Kampfes“ verübt werden. Aber auch in Bezug auf Straf- und Gewalttaten, die sich gegen Sicherheitsbehörden richten, war eine deutliche Steigerung von drei Fällen im Jahr 2008 auf jetzt 18 Fälle festzustellen (davon 12 Gewalttaten).

 Stärkere Zusammenarbeit der autonomen Szene

„Sorge bereiten uns auch die Bemühungen Autonomer, eine enge Vernetzung und Zusammenarbeit der hessischen Szene zu gewährleisten“, erklärte der Minister. Zwar sei die Anzahl der autonomen Gruppen konstant geblieben, die Aktivitäten seien aber gezielt und gut vorbereitet. „Wir sind weder auf dem linken noch auf dem rechten Augen blind, sondern wir erkennen, dass gerade Frankfurter Autonome versuchen, die Kooperation zwischen einzelnen regionalen Szenen in Hessen zu intensivieren und diese ideologisch zu schulen.“ Bouffier verwies in diesem Zusammenhang auf ein „Antifaschistisches Sommercamp“, das Ende August 2009 im Vogelsbergkreis stattfand und eine neue Qualität der Zusammenarbeit des linksextremistischen Spektrums darstelle.

 Gewaltbereite Neonaziszene

Im Gegensatz dazu stellt das Landesamt für Verfassungsschutz in dem Jahresbericht fest, dass die NPD weiter an Einfluss in der rechtsextremen Szene verliert. „Die sinkenden Mitgliederzahlen lassen auch das Aktionspotenzial der NPD schrumpfen. Sie ist schwach und tritt öffentlich kaum mehr in Erscheinung“, so Bouffier. Allerdings hat sich vor diesem Hintergrund die Neonaziszene neu orientiert. Sie ist aktionistischer und auch gewaltbereiter geworden. „Diese Entwicklung ist für die Sicherheitsbehörden insofern problematisch, als dass die Aktivitäten loser neonazistische Zusammenschlüsse, wie etwa der Freien Kräfte Schwalm-Eder, schwieriger vorherzusagen sind“, skizzierte der Minister die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes. Als Reaktion auf die gewalttätigen Übergriffe im Schwalm-Eder-Kreis habe die Polizei mit einem massiven und unnachgiebigen Einsatz gezielt gegen die Hauptaktivisten reagiert. „Wir begleiten die Aktivisten regelmäßig, sprechen Platzverweise für Veranstaltungen und Lokalitäten aus“, führte Bouffier aus.

 Konfrontation zwischen Links- und Rechtsextremisten

Die zunehmende Konfrontation zwischen rechts- und linksextremistischen Gruppen lässt sich erneut im Berichtsjahr 2009 feststellen. So ist die Zahl linksextremistischer Straf- und Gewalttaten „Gegen Rechts“ von 10 im Jahr 2008 auf 61 im Berichtsjahr deutlich gestiegen. Davon sind 7 Gewalttaten (im Vorjahr: 1). Rechtsextremisten hatten bei 17 Straftaten und Gewalttaten Linksextremisten als Ziele. „Dass die Zahl der rechtsextremistischen Straf- und Gewalttaten „Gegen Links“ etwas gesunken ist (Vorjahr: 27), ist eine Auswirkung unseres strengen Einschreitens unter anderem gegen die Szene im Schwalm-Eder Kreis. Das darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die niedrige Hemmschwelle und die unreflektierte Aggressivität gegenüber „Linken“ weiter vorhanden ist“, so Minister Bouffier und bezog sich auf eine Schlägerei in einer Gaststätte in Schwalmstadt am 27. Februar.

Dieses unverändert hohe Konflikt- und Gewaltpotenzial mache eine erhöhte Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden notwendig. Auch darauf habe der Verfassungsschutz frühzeitig hingewiesen, stellte der Innenminister fest. „Es darf nicht geduldet werden, dass vermeintliche politische Auseinandersetzungen gewaltsam auf der Straße ausgetragen werden“, machte Bouffier deutlich.

Insgesamt zeige der Verfassungsschutzbericht eindrucksvoll den hohen Wert der Erkenntnisse des Landesamtes. „Wir haben hier ein effizientes Frühwarnsystem, das in den vergangenen Jahren treffsicher neue Strömungen erkannt und daraus die richtigen Schlüsse gezogen hat“, sagte Bouffier. Mit diesen Analysen konnte auch der Polizei geholfen werden, entsprechende Maßnahmen einzuleiten.

Die einzelnen Phänomenbereiche im Fokus

 Professionellere Propaganda gewaltbereiter Jihadisten

„Die verhältnismäßig hohe Zahl Propaganda-Verlautbarungen im Jahr 2009 sowie deren professionellere Qualität und die immer schnellere Taktung zeigen, dass Deutschland in einem bislang nicht dagewesenen Maße in den Fokus von „al-Qaida“ bzw. „al-Qaida“-nahen Gruppierungen gerückt ist“, sagte der Minister. Auch vor diesem Hintergrund seien Ausreiseabsichten von Angehörigen der gewaltbereiten jihadistischen Szene besonders aufmerksam beobachtet worden. „Jeder, der sich die Lebensläufe der Personen aus der so genannten Sauerland-Gruppe ansieht, weiß warum es wichtig ist, Ausreisen in Ausbildungslager zu verhindern“, so Bouffier. Die Aussagen der vier Angeklagten, darunter ein türkischer Staatsangehöriger mit hessischem Wohnsitz, belegen, dass Personen, die sich im Ausland am gewaltsamen Jihad beteiligt bzw. ein terroristisches Ausbildungslager besucht haben, eine erhebliche Gefahr darstellen. Zum einen sind sie nach einem solchen Auslandsaufenthalt selbst in der Lage, Anschläge zu planen oder auszuführen. Zum anderen stärken sie ihre Stellung als anerkannte Akteure in gewaltbereiten jihadistischen Netzwerken; teilweise sind sie es, die andere Muslime radikalisieren oder für den gewaltsamen Jihad rekrutieren.

Den Sicherheitsbehörden liegen derzeit Informationen zu insgesamt 215 Personen mit islamistisch-terroristischem Hintergrund vor, die seit Beginn der neunziger Jahre eine paramilitärische Ausbildung erhalten haben sollen bzw. eine solche beabsichtigten.

 Nach außen weltoffen – Islamistische Organisationen

Eine besondere Rolle nehmen weiterhin solche islamistischen Akteure und Organisationen ein, die ihre Ziele nicht mit Gewalt durchzusetzen versuchen. Diese streben die Etablierung eines islamistischen Staatswesens an, in dem das gesamte politische und gesellschaftliche Leben religiös begründeten Normen unterworfen ist und das nach den Bestimmungen der Scharia regiert wird.

Die mitgliederstärkste islamistische Organisation in diesem Spektrum, die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V.“ (IGMG), stellt sich nach außen stets als weltoffene, seriöse und dialogbereite Organisation dar. Intern verfolgt sie jedoch islamistische Positionen. „Die IGMG und andere Organisationen, wie die Muslimbruderschaft (MB), legen einen Schwerpunkt auf die Kinder- und Jugendarbeit“, so Bouffier. Es werde versucht, über Lehr- und Freizeitangebote möglichst früh Einfluss auf die Erziehung junger Menschen zu nehmen, diese zu indoktrinieren und ideologisch an sich zu binden. „Stetig wachsende Teilnehmerzahlen an Veranstaltungen sind ein Indiz dafür, dass die ideologische Akzeptanz für die islamistischen Ziele dieses Spektrums unverändert hoch ist. Damit ist gleichzeitig auch ein Radikalisierungspotenzial vorhanden, dessen Gefahr nicht unterschätzt werden darf“, sagte der Minister. Als Beispiel nannte er das traditionelle Pfingsttreffen der MJD, der „Muslimischen Jugend in Deutschland e.V.“. Diese Treffen fanden seit 1995 mit etwa 200 Teilnehmern statt. Seit 2004 treffen sich jährlich etwa 1000 Mitglieder in Bad Orb im Main-Kinzig Kreis. „Die MJD ist laut Satzung mit der Integration Jugendlicher in die Gesellschaft befasst. Wer aber genauer hinsieht, wird Widersprüche zu den Prinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung erkennen“, so Bouffier. Jedenfalls sei die gestiegene Teilnehmerzahl an diesen Treffen ein Indiz, dass die Gruppe eine zunehmende ideologische Akzeptanz finde.

Die Anzahl der Personen, die dem gesamten islamistischen Spektrum zuzuordnen sind, liegt stabil bei etwa 5100 (2008: 5100 Personen). Bundesweit hat die Anzahl leicht zugenommen, von 34.720 auf 36.270.

 NPD geschwächt – gewaltbereite Neonaziszene

In Hessen ist das rechtsextremistische Personenpotenzial von 2600 auf nun 2100 Personen gesunken (bundesweit von 30.000 auf 26.600). „Das ist aber kein Grund zur Entwarnung“, so Bouffier. Zwar sei die „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) in Hessen geschwächt und trete kaum mehr in Erscheinung, im Gegenzug habe sich aber die hessische Neonaziszene neu orientiert. „Die Szene ist aktionistischer und gewaltbereiter geworden. Sie tritt auch nicht mehr als einheitliche Szene auf, sondern agiert in verschiedenen Regionen eigenständig“, bezog sich der Minister auf die „Freien Kräfte Schwalm-Eder“ (FKSE), ein loser neonazistischer Personenzusammenschluss, der durch mehrere gravierende gewalttätige Übergriffe aufgefallen war. „Durch unsere erhöhte polizeiliche Präsenz im Schwalm-Eder Kreis schützen wir die Bevölkerung und engen den Spielraum für strafbare Handlungen ein“, so Bouffier. Zudem sei über eine „Besondere Aufbauorganisation Mitte“ (BAO) ein ganzes Bündel an präventiven und repressiven Maßnahmen in die Region gebracht worden. Dazu gehören Gefährderansprachen ebenso wie offene und verdeckte Kontrollen. Den FKSE werden rund 30 Neonazis aus der Region zugerechnet. „Zudem stellen wir im Raum Wetzlar neben neuen Internetaktivitäten auch verstärkt neonazistische Aktionen fest. Diese richteten sich mehrheitlich gegen die „Antifa““, berichtet Bouffier. Als Beispiel nannte er den Vorfall in Wetzlar am 5. März diesen Jahres, bei dem ein Molotowcocktail gegen eine Haustür flog. Inzwischen wurden fünf Beschuldigte ermittelt, vier davon sitzen in Untersuchungshaft. Dagegen seien die Bemühungen der Neonazi-Szene in Südhessen, eine Neustrukturierung vorzunehmen, vorerst gescheitert.

Die Zahl rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten ist mit 797 Fällen nahezu unverändert. Den größten Teil stellen weiterhin Propagandadelikte. Die Zahl der Gewalttaten ist im Gegensatz zum Jahre 2008 (25) leicht gesunken (22), was auch auf polizeiliches Handeln und eine enge „Begleitung“ hessischer Neonazis zurückzuführen ist. Körperverletzungen (19 Fälle) stellen den größten Teil der Gewalttaten dar.

 Steigerung linksextremistischer Straf- und Gewalttaten

Das Personenpotenzial aus dem Bereich des Linksextremismus liegt in Hessen bei 4900 Personen (im Vorjahr 4730). Anders als in den vergangenen Jahren, in denen ein deutlicher Anstieg der Zahl der autonomen Gruppen in Hessen zu verzeichnen war, zeigte sich die Szene 2009 auf vergleichsweise hohem Niveau stabil; es sind etwa 400 Personen autonomen Gruppen zuzuordnen. Die Ziele dieser so genannten Autonomen sind „herrschaftsfreie Räume“. Um das zu erreichen, halten sie die Anwendung von Gewalt gegen Personen und Sachen für ein legitimes Mittel. „Das Hauptaugenmerk der hessischen autonomen Szene lag neben der Stabilisierung vorhandener Netzwerke und Strukturen auf gewalttätigen Aktionen gegen Rechtsextremisten“, betonte der Minister. In der autonomen Szene seien nach wie vor Personenzusammenschlüsse aus dem Rhein-Main-Gebiet, allen voran die „autonome antifa [f]“oder die „Jugendantifa Frankfurt“, führend, so Bouffier weiter. Gerade diese Frankfurter Autonomen versuchten die Kontakte und die Kooperation zwischen einzelnen regionalen Szenen in Hessen zu intensivieren, aber auch ideologisch zu schulen. In diesem Zusammenhang ist das „Antifaschistische Sommercamp“ vom 19. bis 23. August 2009 im Vogelsbergkreis zu sehen. Das u. a. von dem linksextremistischen „Bündnis antifaschistischer Gruppen Hessen“ (BASH) organisierte Camp war in dieser Form ein Novum in Hessen.

Die Partei „DIE LINKE.“ wird auch künftig vom hessischen Verfassungsschutz beobachtet. Sie vertritt weiterhin Ziele, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind. Mit Blick auf den hessischen Landesverband der Partei bleibt festzustellen, dass extremistische Zusammenschlüsse wie die „Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE“ (KPF), die „Antikapitalistische Linke“ (AKL) und die „Sozialistische Linke“ (SL) in der Partei unverändert aktiv sind. Ebenso arbeitet sie auch mit anderen linksextremistischen Organisationen zusammen.

Die Zahl linksextremistischer Straf- und Gewalttaten ist mit 112 Fällen deutlich gestiegen (2008: 81 Fälle). Demgegenüber ist die Zahl der Gewalttaten von 25 im Jahre 2008 leicht gesunken (21), was gerade auf ein konsequentes polizeiliches Handeln im Zusammenhang mit „rechten Veranstaltungen“ zurückzuführen ist. Körperverletzungen (11 Fälle) stellen auch im Bereich des Linksextremismus den größten Teil der Gewalttaten.

 Anonym und schnell - Nutzung des Internets nimmt zu

„Die Kommunikation über das Internet nimmt gesamtgesellschaftlich einen immer höheren Stellenwert ein – das lässt sich auch auf die Nutzung des Netzes durch Extremisten übertragen“, sagte der Minister im Rahmen der Pressekonferenz. Vor allem die Möglichkeiten des Netzes anonym oder über passwortgeschützte Foren schnell kommunizieren zu können, nutzen Extremisten aus. Dabei verwenden Extremisten das ganze Spektrum interaktiver Angebote des Netzes. Sie nutzen Blogs und Videoportale, um propagandistisches Material zu veröffentlichen. „Es ist davon auszugehen, dass die Aktivitäten extremistischer Gruppen und Organisationen im Internet stetig weiter zunehmen werden“, so Bouffier. Das Landesamt hat sich dieser Aufgabe gestellt und mit ORTET (Online Recherche Team Extremismus Terrorismus) eine Arbeitseinheit geschaffen, die gezielt die Internet-Aktivitäten von Extremisten beobachtet.

Im Bereich des Islamismus warnte der Minister nicht nur vor den bekannten Videobotschaften, die zur Rekrutierung von neuen Kämpfern genutzt werden, sondern auch vor den niederschwelligen Angeboten von Organisationen wie der IGMG, der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e.V.“, die sich an Kinder richten, um diese spielerisch mit der Organisation vertraut zu machen.

Als Beispiel für die Aktivitäten von Rechtsextremisten im Netz nannte Bouffier die Blogs und Web-Radios. „Rechtsextremisten nutzen den schnellen und einfachen Aufbau von Blogs, um ihre Botschaften zu verbreiten, zudem besteht in privaten Blogs in der Regel nicht die Verpflichtung für ein Impressum“, so Bouffier. Im Bezug auf die Internet-Radios machen sich die Extremisten die einfachen Zugangsmöglichkeiten des Internets zu nutze. „Früher wäre es unmöglich gewesen, einen eigenen Radiosender ins Leben zu rufen. Mit dem Internet ist das relativ leicht“, sagte Bouffier. Bundesweit gibt es etwa 20 bis 30 rechtsextremistische Radiosender.

Linksextremisten nutzen das Internet ebenfalls zur Mobilisierung. „Außerdem ist das Internet Raum für direkte Aktionen gegen den politischen Gegner“ sagte Bouffier. Dazu gehören Attacken auf Internetseiten oder so genannte Outing-Aktionen, bei denen Namen von Rechtsextremisten veröffentlicht werden.

 Konspirativ und gefährlich - Organisierte Kriminalität (OK)

Die Organisierte Kriminalität (OK) wird in Hessen seit 9 Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet. Die durch OK-Aktivitäten verursachten Schäden sind enorm. „Da werden durch vordergründig legale Geschäftstätigkeiten illegale Einnahmen „gewaschen““, erläutert der Minister. Der Zugang zu diesen Gruppen, die extrem konspirativ vorgehen, sei äußerst schwer. Besondere Aufmerksamkeit finden auch kriminelle Rockergruppen. 2009 kam es bundesweit zu schweren Auseinandersetzungen, bis hin zu Morden, zwischen verfeindeten Rockergruppen. Hintergrund für diese Auseinandersetzungen sind wirtschaftliche Interessen der Gruppen im Rotlichtmilieu, in der Türsteherszene aber auch im Drogenhandel. In Hessen kam es im Juni zwar zu einem Schusswechsel, bei dem ein Angehöriger eines Rockerclubs am Arm verletzt wurde. Auf Grund des Aussageverhaltens des Geschädigten kann ein Bezug zu den bundesweiten Auseinandersetzungen zwischen Rockerbanden aber nicht hergestellt werden.

 Beratung von Unternehmen zur Spionageabwehr

Spionageabwehr ist ein wichtiger Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes. Gerade Aktivitäten russischer und chinesischer Nachrichtendienste werden genau beobachtet. Aktivitäten von Nachrichtendiensten aus Ländern des Nahen und Mittleren Ostens haben – auch vor dem Hintergrund der Beobachtung politisch oppositioneller Gruppen – in Deutschland zugenommen. Im Bereich des Geheim- und Wirtschaftsschutzes steht der Verfassungsschutz Unternehmen und staatlichen Stellen beratend zur Seite, um ihnen bei der Absicherung vertraulicher Daten zu helfen. In sicherheitsrelevanten Bereichen wirkt der Verfassungsschutz auch bei der Überprüfung von dort eingesetztem Personal mit.

 Vernetzt Radikalisierungen verhindern – Gegenoffensive

Um Radikalisierungsprozessen in allen Bereichen des Extremismus frühzeitig und effektiv entgegenwirken zu können, ist eine weitere Intensivierung der Präventionsarbeit erforderlich. Damit könne der Verfassungsschutz „im Sinne einer gemeinsamen Gegenoffensive die Sensibilität und entschiedenes Handeln gegen extremistische Radikalisierungsprozesse unterstützen.“ Dazu seien allerdings weitere Sicherheitspartner notwendig, die kompetent und glaubwürdig in die Szene kommunizieren können. „Das betrifft alle Bereiche des Extremismus, weil in allen Bereichen Rattenfänger auf der Suche sind nach Personen, die sie für ihre Sache radikalisieren können“, so Bouffier. Es sei auch Aufgabe des Staates, denen Orientierung zu geben, die für Ansprachen durch Extremisten empfänglich erscheinen.

 Verstärkte Öffentlichkeitsarbeit auf allen Ebenen

Dementsprechend hat der Verfassungsschutz im Jahr 2009 die Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit vor allem in den Bereichen Rechtsextremismus und Islamismus weiter intensiviert. „Neben der Beobachtung und der Analyse hat die Präventionsarbeit im Landesamt einen hohen Stellenwert“, macht Bouffier deutlich. Seit Beginn 2009 sei das Landesamt als Anbieter von Fortbildungen für hessische Lehrkräfte akkreditiert. Vor allem die Veranstaltungen zum Thema Rechtsextremismus und Islamismus fanden hessenweit großen Zulauf. Insgesamt wurden seit der Akkreditierung über 250 hessische Lehrkräfte weitergebildet. Im Bereich Rechtsextremismus hat das Landesamt bereits gute Erfahrung mit einer offensiven Präventionsarbeit machen können. „Großes Interesse der Bürgerinnen und Bürger besteht auch an den Broschüren des Kompetenzzentrum Rechtsextremismus (KOREX). Allein auf dem Hessentag in Langenselbold wurden insgesamt mehr als 3.000 KOREX-Broschüren verteilt“, sagte Bouffier. Darüber hinaus finden Veranstaltungen bei anderen Behörden, z. B. im Justizbereich statt.

Innenminister Bouffier kündigte an, die verstärkte Informations- und Präventionsarbeit des hessischen Verfassungsschutzes der Öffentlichkeit in Kürze gesondert vorzustellen. Im Mittelpunkt dieser Vorstellung werden sowohl ein völlig neu konzipierter Informationsstand des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen sowie zahlreiche neue Informations- und Aufklärungsbroschüren stehen, mit denen das Landesamt für Verfassungsschutz insbesondere über die Gefahr des Rechtsextremismus verstärkt aufklären will.

 Sensibilisieren für Rekrutierungsprozesse

Auch im Bereich des Islamismus sensibilisiert das Landesamt bereits seit Jahren Mitarbeiter anderer Behörden für Radikalisierungs- und Rekrutierungsprozesse. „Die Mitarbeiter des Landesamtes sind bei Dialogveranstaltungen beispielsweise mit islamischen Moscheevereinen und Verbänden immer auf der Suche nach Ansprechpartnern, um den Austausch zu unterstützen und um mögliche Gegenmaßnahmen gegen islamistische Bestrebungen in Vereinen und Verbänden zu vermitteln“, stellte Bouffier die breitgefächerten Anstrengungen dar.

 Verfassungsschutz – Frühwarnsystem schützt die Demokratie

Abschließend dankte Bouffier dem hessischen Landesamt für Verfassungsschutz für die wichtige Arbeit. „Der Verfassungsschutzbericht ist eine wichtige Informationsquelle für die Bürgerinnen und Bürger. Er zeigt, dass es sich lohnt, aufmerksam zu sein und sich im Dienste der Demokratie zu engagieren. Denn es bleibt dabei: der beste Schutz unserer verfassungsrechtlichen Ordnung und gegen Extremisten sind engagierten Demokraten.“

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