Bei ihrer traditionellen Kabinettsitzung auf dem Hessentag hat die Hessische Landesregierung beschlossen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Hessen künftig mit einer neuen Verordnung noch besser vor Fluglärm geschützt werden. „Die neue Lärmschutzverordnung wird ein Höchstmaß an Schutz vor Fluglärm gewährleisten. Wir haben der Verordnung den niedrigsten Lärmpegel zugrunde gelegt, den das Fluglärmgesetz bietet“, so Ministerpräsident Volker Bouffier. Erforderlich wird die Verordnung, weil der Bau der neuen Landebahn auch eine neue Festlegung des Lärmschutzbereiches nach sich zieht. Bevor die Verordnung erlassen wird, werden alle Gemeinden im Umfeld des Frankfurter Flughafens angehört. Mit der heutigen Entscheidung des Kabinetts wird die Anhörung eingeleitet.

Schweigeminute für die Opfer des 17. Juni 1953

Zugleich gedachten die Kabinettmitglieder in einer Schweigeminute anlässlich des heutigen Nationalen Gedenktages zum 17. Juni 1953 der Opfer des missglückten Volksaufstands in der ehemaligen DDR.

Im Zusammenhang mit der Lärmschutzverordnung erläuterte Wirtschaftsminister Dieter Posch bei der Kabinettsitzung, dass das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm je nach rechtlicher Auslegung die Möglichkeit enthält, die Nacht-Schutzzone anhand eines strengen Wertes festzusetzen (50 dB(A)) oder einen weniger strengen Wert zugrunde zu legen (53 dB(A)). „Wir sind überein gekommen, in unserer Verordnung den strengen Wert von 50 dB(A) für diese Zone festzulegen, um für die Bürgerinnen und Bürger, die in diesen Bereichen leben, die Belastung durch Lärm so gering wie gesetzlich möglich zu halten“, so Bouffier weiter. Dies bedeutet, dass die Zone, in der passiver Schallschutz gewährt wird, erheblich größer wird als bei Zugrundelegung des weniger strengen Wertes. Bei 53 dB(A) hätten rund 60.000 Anwohner Anspruch auf passiven Schallschutz. Bei der Zugrundelegung der strengeren 50 dB(A) hingegen haben diesen Anspruch rund 120.000 Anwohner.

Die Hessische Landesregierung hat sich daneben mit der Fraport AG ins Benehmen gesetzt, um ihrer ausdrücklichen Erwartung Ausdruck zu verleihen, dass diese die Ansprüche der betroffenen Anwohner durch freiwillige Leistungen insbesondere in Flughafennähe wesentlich früher erstattet, als sie gesetzlich verpflichtet wäre. Besonders belastete Gebiete sollen dabei prioritär behandelt werden. „Wir wissen, dass dies eine erhebliche finanzielle Belastung für die Fraport AG sein wird, die aber aus Sicht der Landesregierung zum Wohle der Bevölkerung dringend erbracht werden muss“, so Wirtschaftsminister Dieter Posch.

Darüber hinaus behandelte das Kabinett in der Hessentagsstadt eine Vielzahl von weiteren Themen, unter anderem „Migranten in den Öffentlichen Dienst – Interkulturelle Öffnung der Verwaltung“, den Feuerwehrführerschein, den Auf- und Ausbau von Breitband-Hochgeschwindigkeitsnetzen sowie die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung in Hessen.

Migranten in den Öffentlichen Dienst – Interkulturelle Öffnung der Verwaltung

Die interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung soll weiter vorangetrieben werden. Mit dem Kabinettsbeschluss „Migrantinnen und Migranten in den Öffentlichen Dienst – Interkulturelle Öffnung der Verwaltung“ beabsichtigt die Hessische Landesregierung insbesondere, den Beschäftigtenanteil mit Migrationshintergrund in der Landesverwaltung zu erhöhen. „Darüber hinaus soll die interkulturelle Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesteigert und das Ziel der interkulturellen Öffnung zukünftig bei Planungs-, Organisations- und Personalentscheidungen berücksichtigt werden“, so der Hessische Minister der Justiz, für Integration und Europa, Jörg-Uwe Hahn.

In Hessen besitzen etwa zwölf Prozent der Bevölkerung einen ausländischen Pass. Über einen Migrationshintergrund verfügen sogar knapp 25 Prozent der Hessen, bei Kindern unter sechs Jahren sind es bereits 45 Prozent. Nachdem das Land am 1. Februar 2011 bereits der „Charta der Vielfalt“ beigetreten ist, geht die Landesregierung nun einen weiteren konsequenten Schritt hin zur Anpassung ihrer Strukturen an die Bedürfnisse der heutigen vielfältigen Gesellschaft.

„Feuerwehrführerschein“

„Wir sind sehr zufrieden, dass durch die erfolgreiche Initiative des Landes Hessen im Bundesrat das Thema Feuerwehrführerschein nun endgültig im Sinne der Freiwilligen Feuerwehren, der Rettungsdienste und des Katastrophenschutzes geregelt werden kann“, so Ministerpräsident Bouffier. Ziel der Hessischen Landesregierung sei dabei gewesen, die bundesgesetzliche Regelung dahingehend zu ändern, den dort ehrenamtlich Tätigen das Führen von Kraftfahrzeugen bis 7,5 Tonnen ohne Erwerb eines Lkw-Führerscheines zu ermöglichen, so Bouffier weiter. Hintergrund ist, dass aufgrund der seit dem Jahr 1999 geltenden fahrerlaubnisrechtlichen Vorschriften den Freiwilligen Feuerwehren, den Rettungsdiensten, dem Technischen Hilfswerk und den sonstigen Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes immer weniger junge ehrenamtlich tätige Menschen zur Verfügung stehen, die eine zum Führen von Einsatzfahrzeugen notwendige Fahrerlaubnis vorweisen können. Hintergrund ist eine Anpassung an die international übliche Einteilung der Fahrerlaubnisklassen. Am 27. Mai 2011 hat der Bundesrat seine Zustimmung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes gegeben. Dadurch ist der Weg für den neuen Feuerwehrführerschein frei.

Die nun vorliegende Hessische Verordnung sieht vor, dass Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren, des Rettungsdienstes, der Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes sowie des Technischen Hilfswerks künftig LKW bis zu 7,5 Tonnen fahren dürfen. Voraussetzung für die Erteilung dieser sogenannten großen Fahrberechtigung ist eine feuewehr- oder organisationsinterne Einweisung und Prüfung. Damit ist der Erwerb eines LKW-Führerscheins für jüngere ehrenamtlich Tätige nicht mehr notwendig. „Durch die Novellierung der Verordnung des „Feuerwehrführerscheins“ schaffen wir die Voraussetzungen für eine praxisnahe und unbürokratische Lösung. Somit ist es den Freiwilligen Feuerwehren und Hilfsorganisationen möglich, auch in Zukunft auf den Nachwuchs zurückzugreifen und das ehrenamtliche Engagement weiter zu stärken“, sagte Innenminister Boris Rhein.

Auf- und Ausbau von Breitband-Hochgeschwindigkeitsnetzen

In Hessen wird bis Ende 2011 die flächendeckende Breitband-Grundversorgung erreicht sein. In den kommenden drei Jahren soll nun der Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen (Next Generation Access – NGA) forciert werden, so dass diese bis Ende 2014 von mindestens 75 Prozent der Haushalte genutzt werden können. Die Hessische Landesregierung investiert in den Ausbau von Breitband-Hochgeschwindigkeitsnetzen für die hessischen Kommunen im durchschnittlich jährlich rund 5 Millionen Euro.

„Schnelles Internet ist zu einer unverzichtbaren sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen geworden. Für die Kommunen ist der Zugang zu Breitband-Internet damit ein wesentlicher Standortfaktor. Mit der Förderung des Auf- und Ausbau von NGA-Netzen setzt sich das Land Hessen gegen eine digitale Spaltung zwischen ländlichen und städtischen Regionen ein und legt die Grundlage für wirtschaftliches Wachstum in ganz Hessen“, sagte Wirtschaftsminister Posch. Das im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung angesiedelte Projektbüro hat beratende und unterstützende Funktion in den Bereichen Finanzierung und Förderung, rechtliche Rahmenbedingungen, Marktversorgung, Informationssystem sowie Technik. Dabei arbeitet es eng mit den umsetzenden Kommunen, den Telekommunikations- und Versorgungsunternehmen sowie mit Behörden, Wirtschaftsförderungsgesellschaften, Kammern und Verbänden zusammen.

Aktuelle wirtschaftliche Entwicklung in Hessen

Im weiteren Verlauf der Sitzung analysierte das Kabinett die wirtschaftliche Entwicklung in Hessen. „Die hessische Wirtschaft ist gut aus der Krise gekommen. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im Jahr 2010 um 3,6 Prozent und damit genauso stark wie im gesamten Bundesgebiet. Das ist die stärkste Wachstumsrate in Hessen seit rund 20 Jahren. Der Konjunkturmotor läuft auf Hochtouren, bestätigen mir auch zahlreiche Gesprächspartner bei den Unternehmerverbänden“, betonte Ministerpräsident Volker Bouffier. Dies belegen auch aktuelle Statistiken: So nahmen die Umsätze der hessischen Industrie im ersten Quartal 2011 um 22 Prozent zu. Im Bereich der Bauwirtschaft wurde ein Anstieg der Auftragseingänge um 9,7 Prozent verzeichnet, die Umsätze sind um 32 Prozent gewachsen. Ebenfalls erfreulich ist der Trend im Einzelhandel und im Gastgewerbe. Gleichzeitig verzeichnete der hessische Außenhandel starke Wachstumsraten. „Die Ausfuhr ist im Jahr 2010 um fast 20 Prozent auf 51,6 Milliarden Euro gestiegen. Damit wurde ein historischer Höchststand erreicht“, erläuterte Wirtschaftsminister Posch.

Diese Entwicklung verbessert auch die Situation am hessischen Arbeitsmarkt. Im Jahresdurchschnitt waren 198.000 Personen arbeitslos gemeldet, rund 6 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Die Arbeitslosenquote betrug 6,4 Prozent. „Damit belegt Hessen im Vergleich der Bundesländer weiterhin den vierten Rang“, sagte Posch. Dieser positive Trend setzte sich auch in den ersten Monaten des Jahres 2011 fort. So sank die Arbeitslosenquote im Mai auf 5,8 Prozent, was 182.273 arbeitslosen Frauen und Männern entspricht. Gleichzeitig stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Hessen im Vergleich zum Vorjahr um 2,2 Prozent, 38.000 Stellen blieben unbesetzt.

Abschließend zog der Ministerpräsident anlässlich der auswärtigen Kabinettsitzung auf dem Hessentag eine positive Bilanz über das 51. Landesfest. „Der Hessentag hat sich auch in Oberursel als Besuchermagnet erwiesen. Aufgrund der besonderen familiären Atmosphäre konnten wir in der ersten Hälfte rund 735.000 Besucher in Oberursel begrüßen. Das ist eine tolle Resonanz, zu dessen Gelingen auch die zahlreichen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Helferinnen und Helfer maßgeblich beigetragen haben“, so Bouffier. Damit erweise sich das „Fest aller Hessen“, Deutschlands größtes und traditionsreichstes Landesfest, wieder einmal als besondere Attraktion nicht nur in der gastgebenden Stadt und Region, sondern für ganz Hessen und darüber hinaus. „Gäbe es den Hessentag nicht, müsste man ihn erfinden“, schloss Bouffier.

Fotos: E. Blatt (Hessische Staatskanzlei)

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