Interview des hessischen CDU-Landesvorsitzenden und stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU Deutschlands, Ministerpräsident Volker Bouffier, in der heutigen Ausgabe der WELT

**Die Welt:** Herr Bouffier, sind Sie vom Ausmaß der Spionage durch Amerikaner und Briten überrascht?

 
Volker Bouffier: Die Dimension überrascht mich schon. Ich halte es nach wie vor für richtig, dass es einen engen Austausch der Geheimdienste gibt. Ich weiß aus eigener Amtszeit, dass wir die islamistische Sauerland-Gruppe nur erwischt haben, weil wir vom amerikanischen Geheimdienst rechtzeitig informiert wurden. Aber das, was wir jetzt erleben, ist ein massiver Vertrauensbruch.
 
Die Welt: Ein hartes Wort.
 
Bouffier: **Unter Freunden muss man ein klares Wort sprechen: Freundschaft muss auf Vertrauen und nicht auf Misstrauen basieren. Wenn Deutschland und Europa wie Feindesland behandelt werden, dann ist etwas durcheinandergeraten.
 
**Die Welt: **Ist Deutschland eine Terrorhochburg? Oder warum steht unser Land besonders im Visier?
 
**Bouffier: Terrorbekämpfung ist notwendig. Mohammed Atta und seine Spießgesellen kamen aus Hamburg und haben den furchtbaren Abschlag auf das World Trade Center verübt. Wir können also nicht erwarten, dass die Amerikaner uns völlig unbeachtet lassen. Aber das muss anders laufen. Die Terrorabwehr muss gemeinsam gemacht werden.
 
Die Welt: Geht es noch um anderes – Wirtschaftsspionage etwa?
 
Bouffier: Ich will nicht spekulieren, dafür habe ich keine Anhaltspunkte. Ich lege nur Wert darauf, dass die Vereinigten Staaten mit uns anders umgehen als mit Ländern wie dem Iran. Es muss Vertrauen herrschen. Und das scheint mir schwer gestört.
 
Die Welt: **Was bedeutet es, wenn US-Geheimdienste Deutschland als "Partner dritter Klasse", als "Angriffsziel" bezeichnen?
 
**Bouffier: Da rate ich zur Zurückhaltung. Wir wissen ja nicht, wer das anordnet und wie das geht. Das kann ein Geheimdienst sein, der ein Stück weit außer Kontrolle geraten ist. Wir sind nicht Partner dritter Klasse und werden eine solche Einordnung auch nicht akzeptieren. Es ist höchste Zeit, dass Präsident Obama ein klares Wort spricht. Wir wollen genau wissen, was da läuft. Und wir wollen eine Änderung der Praxis. Ich kann mich nicht zufriedengeben, wenn ein Beamter schreibt: Wir werden euch noch unterrichten. Das hat eine Qualität, da muss der Präsident ran.
 
Die Welt: Was erwarten Sie von der Bundesregierung?
 
Bouffier: **Die Kanzlerin hat sich durch den Regierungssprecher sehr klar geäußert. Und es wird ja auch in Kürze ein Gespräch zwischen der Kanzlerin und dem amerikanischen Präsidenten geben. Ich bin sicher, Angela Merkel wird sehr deutlich machen, was mit uns geht und was nicht.
 
**Die Welt: Auch die deutschen Sicherheitsbehörden rüsten technisch auf. Welche Fähigkeiten sollte der Bundesnachrichtendienst erwerben?
 
Bouffier: Wir müssen uns wappnen gegen die Feinde der Verfassung – auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln, aber nach klaren Regeln. Der BND muss wie jeder Geheimdienst in der Lage sein, möglichst frühzeitig zu erkennen, wo Gefahren entstehen.
 
Die Welt: Muss der BND auch lernen, wie man im großen Stil Glasfaserkabel anzapft?
 
Bouffier: **Diese Diskussion führt in die Irre. Man muss eines nüchtern sehen: Heute ist das Internet ein Massenkommunikationsmittel wie früher die Postkarte. Das Bewusstsein dafür ist noch nicht genügend ausgebildet. Deshalb will ich mich nicht auf die Frage konzentrieren: Glasfaserkabel anzapfen – ja oder nein?
 
Entscheidend ist, dass es ein klares Regelwerk für die Abwehr terroristischer Attacken gibt. Ich bin dafür, dass man diese Regeln offen kommuniziert. Der Bürger hat einen Anspruch darauf, dass seine Sicherheit gewährleistet wird. Und er hat einen Anspruch darauf zu wissen, mit welchen Mitteln das geschieht.
 
**Die Welt: Wird eine Wiedereinführung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung jetzt noch schwieriger?
 
Bouffier: **Sie wird nach allen Regeln der Politik schwieriger. Aber deshalb wird die Debatte nicht überflüssig. Die Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten nach festen Regeln ist eine sinnvolle und notwendige Angelegenheit. Der Staat darf nicht alles und jedes sammeln. Aber er darf sich auch nicht blind machen. Es ist sehr bedauerlich, dass wir seit Jahren nicht in der Lage sind, eine Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung zu treffen.
 
**Die Welt: Welche Erkenntnisse sind von Ihrer Cyber-Konferenz mit Innenminister Friedrich zu erwarten?
 
Bouffier: Das ursprüngliche Thema der Konferenz war: Wie kann der Bürger sich schützen vor Betrügereien? Aber die Veranstaltung hat jetzt eine neue Aktualität bekommen. Ich werde mich sehr deutlich äußern – und ich denke, der Innenminister tut das auch.
 
Die Fragen stellte Jochen Gaugele.

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