Am vergangenen Freitag, den 07. September 2013 hat der Spitzenkandidat und Landesvorsitzende der CDU Hessen, Ministerpräsident Volker Bouffier, dem Darmstädter ECHO ein Interview gegeben. Thema war unter anderem die Klage gegen den Länderfinanzausgleich. Dabei betonte Volker Bouffier, dass er nicht vollends dagegen sei, allein die Höhe der Summe, die Hessen jedes Jahr abtreten müsse, sei zu hoch. Mit dem zusätzlichen Geld, dass nach einem positiven Urteil zur Verfügung stehen wird, sollen vor allem kostenfreie Kindergartenplätze geboten werden. "Und dann bliebe sogar noch etwas für die Schuldentilgung übrig", so der Ministerpräsident.

** Darmstädter ECHO: **Herr Ministerpräsident, haben Sie sich eigentlich ein paar Wahlkampftipps bei Ihrem Vorgänger Roland Koch geholt?

**Volker Bouffier: **Nein, wir haben unseren Wahlkampf gemeinsam in einer Gruppe erarbeitet. Was das Programm angeht, hatten wir diesmal ja alle Parteimitglieder eingeladen, mitzuarbeiten. Die Gelegenheit haben auch viele genutzt.

Darmstädter ECHO: Roland Koch wäre Ihr Wahlkampf vielleicht etwas fade.

**Volker Bouffier: **Das glaube ich nicht. Wenn Sie im Wahlkampf ein scharf zugespitztes Thema haben, ist das etwas anderes, als wenn Sie ein solches Thema nicht haben. Vor diesem Hintergrund ist mein Wahlkampf genau richtig. Ich sehe mich nicht als der oberste Spalter dieses Landes, sondern ich versuche, die Menschen zusammenzuführen. Ich sage aber auch deutlich, wofür ich stehe, und was ich für falsch halte.

**Darmstädter ECHO: **„Hessen geht es gut, mit mir bleibt das so“, ist kurz gesagt Ihre Kernbotschaft. Genügt das für einen Sieg am 22. September?

**Volker Bouffier: **Sie haben das richtig gesagt. Hessen geht es gut, so sehen das auch die Menschen im Land. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass das so bleibt. Deshalb darf es keine politischen Abenteuer geben, wie sie die Opposition plant. Wer die Menschen mit einem flächendeckenden Abkassierprogramm bedroht, wird dafür sorgen, dass es uns künftig schlechter geht. Neue Steuern, neue Abgaben, neue Vorschriften – das will ich alles nicht.

Darmstädter ECHO: Sondern?

Volker Bouffier: Wir haben eine ganze Menge Ideen, um das Land weiter voranzubringen. Nehmen Sie den „Pakt für den Nachmittag“ zur besseren Betreuung von Schülern. Oder die geplante Verfassungsänderung für eine stärkere Anerkennung ehrenamtlicher Tätigkeiten. Und unseren Kampf für eine gerechte Reform des Länderfinanzausgleichs, damit mehr von unserem Geld im Land bleibt. Es kann nicht sein, dass sich andere Bundesländer auf unsere Kosten Dinge leisten, die wir selbst nicht bezahlen können. Deshalb klagen wir vor dem Bundesverfassungsgericht. SPD und Grüne unterstützen uns dabei nicht und haben sogar angekündigt, im Fall eines Wahlsiegs die Klage zurückzuziehen. An dieser, aber auch an anderen Fragen kann man sehen: Es gibt höchst unterschiedliche Vorstellungen, wie dieses Land weiter geführt werden soll.

Darmstädter ECHO: Ist der komplizierte Länderfinanzausgleich denn ein Thema, mit dem Sie bei den Wählern punkten können?

Volker Bouffier: Ja, auf alle Fälle. Bei jeder Veranstaltung erhalten Sie für die Klage gegen diese ungerechten Zahlungen donnernden Beifall. Um das klarzustellen: Wir wollen solidarisch sein, aber nicht blöd. Ein Blick auf die Finanzen im laufenden Jahr zeigt, worum es geht: Wir werden in Hessen 2013 rund 1,1 Milliarden Euro neue Schulden machen, und wir werden fast zwei Milliarden in den Finanzausgleich zahlen. Und das will ich ändern: Von den zwei Milliarden Euro könnten 500 Millionen weiter in den Finanzausgleich fließen und 1,1 Milliarden zur Deckung des Defizits genutzt werden. Die nicht unerhebliche Restsumme dient dazu, auch in Hessen den Kindergarten-Besuch kostenlos anzubieten und den Eltern künftig die Gebühren zu ersparen. Und dann bliebe sogar noch etwas zur Schuldentilgung übrig.

Darmstädter ECHO: Aber das ist Zukunftsmusik. Niemand weiß, wie und wann die Karlsruher Richter entscheiden. Bis dahin kommt eine Landesregierung in der neuen Legislaturperiode doch kaum um – möglicherweise schmerzhafte – Einschnitte zur Sanierung des defizitären Haushalts herum. Schließlich dürfen die Länder ab 2020 keine neuen Schulden mehr aufnehmen.

Volker Bouffier: Natürlich weiß man nicht, wie das Gericht entscheidet. Aber wir glauben, dass wir gute Argumente haben. Unabhängig davon werden wir weiter an der Konsolidierung des Haushalts arbeiten. Wir haben gezeigt, dass beides möglich ist: Die Neuverschuldung senken und trotzdem politische Schwerpunkte setzen. Und so wollen wir weitermachen. Vor drei Jahren lag die Neuverschuldung noch bei 3,5 Milliarden Euro, heute bei gut einer Milliarde. Gleichzeitig haben wir wie versprochen neue Lehrer und Polizisten eingestellt sowie massiv in Forschung und den Straßenbau investiert. Damit wir diesen Weg fortsetzen können, brauchen wir ein wirtschaftlich starkes Hessen mit sicheren Arbeitsplätzen. Das ist das A und O. Es ist keine Zeit für politische Geschenke, aber die Standards im Land wollen wir halten.

Darmstädter ECHO: Kommen wir zu einem Ihrer konkreten Vorhaben: den Pakt für den Nachmittag. Wer soll denn die bessere Schülerbetreuung bezahlen?

Volker Bouffier: Das Land, die Kommunen und die Eltern. Ohne einen entsprechenden Beitrag der Eltern wird es nicht gehen. Wenn die Kinder dafür ordentlich betreut werden, halte ich das auch für richtig.

Darmstädter ECHO: Aber es sind doch häufig gerade jene Eltern auf eine Betreuung ihrer Kinder angewiesen, denen es schwer fällt, das nötige Geld aufzubringen.

**Volker Bouffier: **Dieses Problem haben wir in Hessen ganz gut gelöst. Wir haben gerade an Grundschulen jede Menge Fördervereine und Initiativen, die wir bereits heute aus Landesmitteln mitfinanzieren. Nach meiner Wahrnehmung klappt das ganz gut. Und für Eltern, die mögliche Gebühren auf keinen Fall aufbringen können, springt der Staat ein.

**Darmstädter ECHO: **Ein unerledigtes Thema ist die Energiewende. Hessen hinkt beim Ausbau der erneuerbaren Energien weit hinterher. Wann soll endlich der Aufholprozess beginnen?

Volker Bouffier: Ich habe 2011 einen sehr erfolgreichen Energiegipfel veranstaltet. Dort haben sich Verbände, Kommunen, Landesregierung und Landtagsfraktionen darauf geeinigt, zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie zu öffnen. Dazu stehe ich. Wir haben aber auch festgelegt, dass wir die Bürger bei der Energiewende mitnehmen wollen. Eine erfolgreiche Energiewende bemisst sich nicht an der Zahl der Windräder, wir brauchen sichere und bezahlbare Energie. Ich arbeite an der klügsten, nicht an der schnellsten Lösung.

**Darmstädter ECHO: **Der Gipfel liegt fast zwei Jahre zurück. Wieso stockt die Energiewende in Hessen?

**Volker Bouffier: **Hessen ist keine Insel. Hier richten sich die Dinge ganz wesentlich danach, welche Grundsatzentscheidungen im Bund getroffen werden. Wir müssen nach den Wahlen am 22. September die Weichen im Bereich der Energiepolitik stellen, etwa beim Leitungsbau und bei der Förderung von Windenergie-Anlagen auf dem Land und im Meer. Das gilt aber auch grundsätzlich für Bau und Betrieb jeglicher Anlagen zur Energieerzeugung. Vordringliches Ziel ist eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, um die erneuerbaren Energien marktfähig zu machen. Das wirkt sich auch positiv auf den Strompreis aus.

Darmstädter ECHO: In Darmstadt gibt es ein hochmodernes Gaskraftwerk, das 2014 stillgelegt werden soll, weil es sich derzeit nicht rentiert.

Volker Bouffier: Es ist ein Problem, dass sich solche Gaskraftwerke derzeit nicht rechnen. Aber die Gesamtsituation ist sehr verworren: Hannelore Kraft aus Nordrhein-Westfalen setzt auf Steinkohle, die hessische SPD ist strikt dagegen. In ostdeutschen Ländern wollen sie Braunkohle. Wir müssen also nach dem 22. September einen Kompromiss finden. Diese Entscheidungen sind auch bedeutsam für die Frage, wo lohnen sich künftig Windkraftanlagen und wo nicht.

Darmstädter ECHO: In Rheinland-Pfalz stehen deutlich mehr Windräder als in Hessen. Wurde in unserem Nachbarland die Landschaft verschandelt?

**Volker Bouffier: **Jedes Land muss für sich eine Entscheidung treffen. Zu Hessen kann ich sagen: Egal, wo ich zu Besuch bin, werde ich von Bürgerinitiativen empfangen, die gegen Windkraft an ihrem Ort sind. Wir müssen auch mit diesen Menschen fair und ehrlich umgehen. Und wir müssen die Windräder dort aufstellen, wo auch Wind ist. Nicht die Zahl ist entscheidend, sondern die Effektivität.

Darmstädter ECHO: Ihr Wirtschaftsminister Florian Rentsch (FDP) hat vorgeschlagen, den Mindestabstand beim Bau von Windrädern auf mehr als tausend Meter zu erhöhen: Ist das mit Ihnen zu machen?

**Volker Bouffier: **Tausend Meter ist der festgelegte Mindestabstand, dabei soll es bleiben. Wenn aber Gemeinden darauf pochen, dass es 1200 Meter sein sollen, weil die Räder so laut sind, dann sollte die Politik das akzeptieren. Wir werden die Energiewende nicht mit Baggern hinbekommen.

Darmstädter ECHO: Ein Verkehrsthema erhitzt derzeit die Gemüter: Im CDU-Wahlprogramm steht, eine Pkw-Maut solle kommen. Das haben Sie am Wochenende bekräftigt. Am Montag sagten Sie nun: „Ich will keine Pkw-Maut.“ Was gilt denn nun?

Volker Bouffier: Die hessische CDU hat sich vor drei Jahren erstmals für eine Pkw-Maut ausgesprochen. Dabei bleibt es. Wichtig ist: Wir wollen keine Zusatzkosten für deutsche Autofahrer. Wir sind aber dafür, dass Autofahrer aus anderen Staaten einen Obolus für unsere Infrastruktur entrichten.

**Darmstädter ECHO: **Die Kanzlerin hat sich gegen eine Pkw-Maut ausgesprochen. Das Nein von Angela Merkel ist also nicht das letzte Wort?

**Volker Bouffier: **Ich bin mir mit der Kanzlerin einig: keine Zusatzkosten für deutsche Autofahrer. Die Kanzlerin wird das gemeinsam mit uns nach den Wahlen klug und weise entscheiden. Wir brauchen für Hessen mehr Mittel für die Infrastruktur. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass wir als CDU-Deutschland beschlossen haben, in der nächsten Legislaturperiode 25 Milliarden Euro mehr in die Verkehrsinfrastruktur zu stecken. Hessen, im Zentrum Deutschlands und Europas gelegen, soll von dem Geld eine Menge abbekommen.

**Darmstädter ECHO: **Sie wollen nach dem 22. September weiter mit der FDP regieren. Wenn es aber weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün reicht: Warum haben Sie einer Großen Koalition und einem schwarz-grünen Bündnis bereits eine Absage erteilt?

Volker Bouffier: Ich schließe sogar aus, dass wir mit der Linkspartei zusammengehen. Nein, im Ernst: Wir werden nach der Wahl eine einfache Situation haben: Entweder es reicht für CDU und FDP, aus heutiger Sicht bin ich sehr zuversichtlich. Oder es wird für Rot-Rot-Grün reichen. Ich werde in den verbleibenden 14 Tagen bis zur Wahl alles tun, damit Rot-Rot-Grün gar nicht in die Versuchung kommt, Hessen ins Abseits zu führen.

Darmstädter ECHO: SPD oder Grüne sagen aber, sie wollten nicht mit der Linken zusammenarbeiten.

**Volker Bouffier: **Wenn wir etwas ausschließen, dann glauben uns die Menschen das. SPD und Grünen wird nicht geglaubt. Sie würden mit der Linkspartei zusammengehen. Das haben Andrea Ypsilanti 2008 in Hessen und Hannelore Kraft 2011 in Nordrhein-Westfalen gezeigt. Vor allem der SPD-Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel eiert ja derzeit in der Frage herum. Er verweigert schlicht eine klare Antwort auf die Frage, ob er mit den Linken zusammenarbeiten würde.

Darmstädter ECHO: Noch mal: Das Wahlergebnis kann so ausfallen, dass neue Koalitionen nötig werden: Warum schließen Sie eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen aus?

**Volker Bouffier: **In einer Koalition muss es ein Mindestmaß an Übereinstimmung geben. Die Vorstellungen zwischen der Union sowie SPD und Grünen sind so unterschiedlich, dass ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wie man das Land erfolgreich gemeinsam regieren könnte.

**Darmstädter ECHO: **An welchen Punkten machen sie das fest?

Volker Bouffier: Wir sind gänzlich anderer Auffassung als die Grünen bei den Themen Verkehr und Flughafen. Ich halte es für abstrus, was SPD und Grüne in der Steuer- und Finanzpolitik vorhaben. Sowohl im Bund als auch in Hessen. Die Grünen wollen ja sogar zusätzliche Hessen-Steuern auf Sand und Kies, auf Wasser und anderes. Das ist geistig so weit entfernt von unseren Vorstellungen, dass es nicht zusammenpasst. Und mit einer SPD, die in der Schulpolitik einen Systemwechsel hin zu einer Einheitsschule will, kann die CDU nicht zusammengehen.

Die Fragen stellten Johannes Bentrup und Joachim Nieswandt.

Foto: RTL Hessen

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