Der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier hat heute im Hessischen Landtag seine erste Regierungserklärung abgegeben. Hier können Sie die Rede vollständig nachlesen oder als PDF-Dokument herunterladen.

- Es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident,

meine Damen und Herren,

ich freue mich, Ihnen heute als Hessischer Ministerpräsident meine Vorstellungen für die künftige Regierungsarbeit vorstellen zu können.

Wir haben ein klares Ziel

„Gemeinsam für ein starkes Hessen“ – unter diesem Titel wird die neue Landesregierung das christlich-liberale Bündnis auf der Grundlage der Koalitionsvereinbarungen vom Januar 2009 entschlossen fortsetzen.

Der Wechsel des Ministerpräsidenten und der Regierungsmannschaft ändert nichts daran, dass der von CDU und FDP eingeschlagene Kurs für unser Land notwendig und richtig ist!

Wir wollen Bewährtes fortführen und neue Akzente setzen. Damit werden wir Hessen in eine gute und sichere Zukunft führen. Wir gehen unsere Arbeit mit Realismus und mit Optimismus an.

Wir haben Grund zum Optimismus

Optimismus deshalb, weil Hessen ein starkes Land ist und wir als Koalition schon in der Vergangenheit gezeigt haben, dass wir Herausforderungen erfolgreich meistern können.

Optimistisch sind wir aber auch deshalb, weil die deutlichen Anzeichen wirtschaftlicher Erholung zu der Hoffnung berechtigen, dass wir die schwerste Wirtschafts- und Finanzkrise seit dem Krieg überwinden. Die Lage ist besser als die Stimmung.

Trotz der Krise steht unser Land sowohl im europäischen als auch im weltweiten Vergleich sehr gut da:

Wir haben die besten Arbeitsmarktzahlen seit 20 Jahren.

Die Wirtschaft entwickelt sich unerwartet positiv.

Es besteht die realistische Chance, dass dies auf Sicht auch zu einer Entlastung der öffentlichen Finanzen führen wird.

Diese positive Entwicklung ist nicht vom Himmel gefallen, sondern auch die Frucht kluger Politik.

Durch massive Konjunkturprogramme und weitsichtige Einzelmaßnahmen hat die Bundesregierung verhindert, dass aus der Wirtschafts- und Finanzkrise auch eine Krise des Arbeitsmarktes wurde. Das ist gelungenes Krisenmanagement!

Ohne Maßnahmen wie z. B. die verlängerte Kurzarbeiterregelung hätten viele Menschen ihren Arbeitsplatz verloren – mit allen negativen Folgen für den Einzelnen, für ihre Familien und für unsere Gesellschaft insgesamt.

Wir Hessen haben mit 1,7 Milliarden Euro ein eigenes, zusätzliches Konjunkturprogramm aufgelegt, von denen weit über 1 Mrd. Euro den Kommunen zu Gute kam. Kein anderes Land hat in solchem Ausmaß gegengesteuert!

Unser Sonderinvestitionsprogramm hat die Kommunen und das Land in die Lage versetzt, Politik für die Menschen gestalten zu können: Wir verbessern die Kinderbetreuung und bauen sowohl Schulen als auch Hochschulen aus. Um es deutlich zu sagen: So sehen konkrete Investitionen in Bildung aus!

Auf über 5.000 Baustellen im Land kann man sehen, wie mit diesem Geld Schulen, Turnhallen und auch kommunale Infrastruktur ausgebaut werden.

Dieses Programm erhält und schafft viele tausend Arbeitsplätze. Auf diese Leistung können wir mit Recht stolz sein!

Aber nicht nur die Politik, auch die Sozialpartner haben einen großen Anteil an diesem Aufschwung. Die maßvolle Lohnpolitik der Gewerkschaften und die weitsichtige Entscheidung vieler Unternehmen, ihre Arbeitnehmer trotz der Krise weiter zu beschäftigen, bieten die besten Voraussetzungen, den insbesondere vom Export getriebenen Konjunkturaufschwung zu nutzen.

Ich warne aber davor zu glauben, die Krise sei bereits überwunden und wir könnten einfach zur Tagesordnung übergehen.

Wir kennen die Situation der Menschen in unserem Land

Trotz der besseren Wirtschaftsdaten sind viele Menschen verunsichert. Nach wie vor haben zu Viele keinen Arbeitsplatz, und die Staatsverschuldung – auch das wissen die Menschen – ist nicht zuletzt aufgrund der massiven staatlichen Hilfsprogramme dramatisch gewachsen.

Viele haben Angst mit Blick auf ihre eigene Zukunft und sie haben Angst, dass es ihren Kindern zukünftig schlechter gehen könnte als ihnen selbst.

Vor diesem Hintergrund ist es mir ein besonderes Anliegen, mit meiner Landesregierung heute ein Zeichen zu setzen, ein Zeichen neuer Gemeinsamkeit.

Wir brauchen dieses bestärkende Miteinander, denn viele Menschen beobachten die aktuelle Situation mit großer Sorge. Grund dafür sind vor allem die tiefgreifenden Umbrüche in unserer Gesellschaft:

So empfinden viele die Veränderungen in den Familien nicht als positiv, sondern es macht ihnen Angst, dass bislang tragende Selbstverständlichkeiten für ihr Leben in Frage gestellt werden.

Den rapiden demographischen Wandel empfinden viele Bürger in Hessen nicht als Chance, sondern er weckt bei ihnen Angst vor Abwanderung, Überalterung und Vereinsamung in ihrer heimischen Gemeinschaft.

Auch die notwendige Integration von Menschen aus anderen Ländern und Kulturen führt bei vielen Bürgern zu Angst vor Verfremdung und zu Sorge um die eigene kulturelle Identität – umgekehrt fällt es vielen Migranten schwer, sich in einer solchen Umgebung willkommen und heimisch zu fühlen.

Mit diesen Ängsten müssen wir uns auseinandersetzen und so neues Vertrauen schaffen.

Dabei wissen auch wir: Das Vertrauen in die Lösungskompetenz der Politik fällt vielen Menschen heute schwer. Die Menschen verstehen manche Entwicklung nicht und haben Zweifel daran, dass dem Gebot der Gerechtigkeit bei politischen Entscheidungen genügend Rechnung getragen wird.

Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ist auch das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft erschüttert worden. Gleiches gilt für das Vertrauen in die Institutionen des Staates.

Dieser Vertrauensverlust wiegt schwer, und auch er muss uns veranlassen, mit allen Kräften an dem neuen Miteinander zu arbeiten.

Dabei gilt für uns als Landesregierung: Nicht der maximale Gewinn, sondern der Mensch muss der Mittelpunkt der wirtschaftlichen Ordnung sein.

Ludwig Erhard forderte schon 1948, dass die soziale Marktwirtschaft nicht das „freie Spiel der Kräfte“ sei, „sondern die sozial verpflichtete Marktwirtschaft, die das einzelne Individuum wieder zur Geltung kommen lässt, die den Wert der Persönlichkeit obenan stellt.“

Der Mensch als Mittelpunkt aller politischen Ordnung, das ist unser Verständnis von Politik. Wir wollen sicherstellen, dass damit nicht nur die politische Programmatik, sondern auch die politische Realität in unserem Land beschrieben ist.

Wir wollen einen neuen Stil prägen und ein neues Angebot machen

Als Hessischer Ministerpräsident will ich daran arbeiten, dass die Menschen in Hessen Politik wieder stärker als ihre Politik erfahren und mit konkreten Begegnungen verbinden können.

Ich werde deshalb das Gespräch mit den Menschen in allen Teilen unseres schönen Hessenlandes suchen. Unter anderem werde ich auch regelmäßige Bürgersprechstunden anbieten.

Darüber hinaus lade ich die Sozialpartner in unserem Land, die Gewerkschaften und die Repräsentanten der Wirtschaft ein, regelmäßig mit uns darüber zu beraten, wie wir die Herausforderungen im Sinne des Gemeinwohls am besten meistern können.

Dieses Gemeinwohl ist mehr als die Summe aller Einzelinteressen. Die Landesregierung wird sich deshalb nicht zur Sachwalterin von Sonderinteressen machen lassen!

Für uns ist Politik mehr als die Bedienung von Einzelinteressen. Sie hat die Aufgabe, die Menschen zu verantwortungsvollem Handeln für sich und für die Gemeinschaft zu ermutigen.

Dafür Kräfte frei zu setzen und Kreativität zu entwickeln – das ist das Ziel unserer Politik!

Wir brauchen kraftvolle Visionen, keine sturen Business Pläne. Mehr oder minder willkürlich gesetzte Prozentziele des Bruttoinlandsproduktes für bestimmte Politikbereiche machen noch keine gute Politik aus.

Wo nur noch die Zahl regiert, gerät der Mensch aus dem Blick. Für uns steht aber der Mensch im Mittelpunkt!

Deshalb steht auch unser Sozialstaat nicht zur Disposition. Er bleibt – bei aller Notwendigkeit zur Anpassung – den Schwachen verpflichtet.

Unsere Fürsorge sollte aber niemand zum Anlass nehmen, sich vom Staat von der Wiege bis zur Bahre an die Hand nehmen zu lassen. Gemeinsinn setzt auch die Bereitschaft zur Selbstverantwortung und Eigeninitiative voraus.

Unsere Politik garantiert Hilfe für die Schwachen, fordert Solidarität durch die Starken und fördert die Anerkennung für die Leistungsträger und Tüchtigen.

Leistung und Solidarität sind keine Gegensätze. Leistung ohne Solidarität bedeutet soziale Kälte. Aber: Solidarität ohne Leistung ist in der Geschichte – auch in unserem Land – regelmäßig gescheitert.

Diese Erkenntnis gehört zum Kern der sozialen Marktwirtschaft! Hierzu sollten wir einen breiten Konsens in diesem hohen Hause finden.

Konsens in wesentlichen Fragen – das braucht die Demokratie. Das muss auch unseren Umgang miteinander prägen. Wir sollten uns als Volksvertreter eher auf die Suche nach Gemeinsamkeiten konzentrieren, als darauf, den kleinsten politischen Dissens zur Frage über Gedeih und Verderb unseres Landes aufzublasen.

Die Menschen haben genug von Parteipolitik pur. Sie haben genug von der Beschäftigung der Parteien mit sich selbst.

Ein vernünftiger Pragmatismus und eine Abkehr von ideologischer Fixierung bedeutet nicht ein Handeln ohne Grundüberzeugungen. Es muss aber Schluss sein damit, dass Ideologen einer Lösung der Vernunft im Wege stehen! Dies zu verhindern ist eine Aufgabe, die uns als Regierung und Opposition verbinden kann.

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Wir wollen Vertrauen aufbauen – auf einem soliden Fundament**

Die Krise hat eines deutlich gezeigt: Die Bürgerinnen und Bürger haben trotz mangelnden Zutrauens in die Politik hohe Erwartungen an den Staat. Der Staat bleibt in der Krise die letzte Instanz, auf die sich viele Hoffnungen richten.

Dieser Verantwortung stellen wir uns. Zwar setzen wir dabei auf bewährte Prinzipien, nicht jedoch auf alte Praktiken. In den letzten Jahrzehnten wurden immer wieder politische Entscheidungen getroffen, deren Umsetzung nur über Schulden finanziert wurde.

Was anfangs als Ausnahme galt, wurde schnell zum Regelfall. Dies gilt für alle Ebenen der Politik – von der Kommune bis hinauf zum Bund. Die Politik wachsender Verschuldung wurde von allen Parteien praktiziert.

Nur durch diesen fatalen Konsens aller Parteien konnte jene Situation entstehen, die man heute in der Rückschau als paradox und widersinnig bezeichnen muss: Die reichste Generation aller Zeiten hat die größten Schulden aller Zeiten gemacht.

Es kann so nicht weitergehen! Verantwortung für kommende Generation sieht anders aus!

**I.

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Es war daher eine der weitsichtigsten Entscheidungen des Bundesgesetzgebers, in diesem Fall der Großen Koalition, eine Schuldenbremse in das Grundgesetz aufzunehmen.

Auch in Hessen wollen wir jetzt im Sinne der Generationengerechtigkeit über eine Volksabstimmung in der Landesverfassung eine Schuldenbremse verankern.

Wir wollen, dass die hessischen Bürgerinnen und Bürger diese Weichenstellung direkt und unmittelbar vornehmen können.

Ihre Entscheidung soll die Einzelheiten für die Ausgestaltung der Schuldenbremse in der Landesverfassung festlegen – so, wie es der Bund für sich bereits getan hat.

Wir wollen die Schuldenbremse, damit eine Politik zu Lasten der Kinder in unserem Land nicht mehr möglich ist!

Diese Überzeugung soll prägend sein für unsere Entscheidungen in sämtlichen Bereichen und auf allen Ebenen der Politik – von der Zusammenarbeit mit den Kommunen über das Miteinander mit den anderen Ländern bis zur Abstimmung mit dem Bund und im europäischen Rahmen.

Diese Landesregierung versteht sich dabei als konstruktiver Partner der Bundesregierung. Dies werden wir – selbstverständlich bei Wahrung der hessischen Interessen – auch im Bundesrat zum Ausdruck bringen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch ein Wort zu Hessens Rolle in Europa sagen:

Als europäischer Finanz- und Wirtschaftstandort, als Verkehrsdrehscheibe mit dem Frankfurter Flughafen und als internationaler und interregionaler Partner hat Hessen ein vitales Interesse an einer starken Europäischen Union. Diese Hessische Landesregierung denkt, fühlt und handelt europäisch.

II.

Unsere Politik ist dabei jedoch nur so handlungsfähig, wie es der eigene Haushalt zulässt. Diese Landesregierung steht zu ihrer föderalen Verpflichtung, als wirtschaftsstarke Region den schwachen Ländern zu helfen. Diese Bereitschaft hat allerdings ihre Grenzen.

Wir mussten in Hessen seit 1999 fast 16 Milliarden Euro Schulden aufnehmen. Gleichzeitig haben wir knapp 27 Milliarden Euro in den Länderfinanzausgleich eingezahlt. Das heißt: Wir hätten in dieser Zeit ein Plus von 11 Milliarden Euro in der Kasse, wenn wir unseren wirtschaftlichen Erfolg für uns alleine hätten nutzen können.

Wir können nicht akzeptieren, dass mit dem Geld aus Hessen in anderen Ländern Leistungen kostenfrei angeboten werden, die wir unseren Bürgerinnen und Bürgern aufgrund der Haushaltslage unseres Landes nicht bieten können.

Deshalb sage ich hier klar und deutlich: So kann das nicht bleiben!

Sollte es auf dem Verhandlungswege nicht zu einer Änderung kommen, müssen wir gemeinsam mit Bayern und Baden-Württemberg Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erwägen.

In Hessen haben wir bereits den notwendigen Konsolidierungskurs eingeschlagen. Im Haushaltsplan für das Jahr 2011 sind Einsparungen in einer Höhe von über 800 Millionen Euro vorgesehen.

Die dafür notwendige Reduzierung der Ressortansätze um durchschnittlich 3,5 Prozent ist einmalig. Wir zeigen damit sehr deutlich: Wir machen ernst mit dem Kurswechsel in der Finanzpolitik.

Doch alle finanzpolitischen Bemühungen eines Landes haben nur dann Sinn, wenn auch die Kommunen als Partner handlungsfähig bleiben. Wo die Kommunen schwach sind, wird kein Land stark sein können. „Gemeinsam für ein starkes Hessen“ bedeutet daher immer auch „Gemeinsam für starke Kommunen in Hessen“.

III.

Generationengerechtigkeit fängt in den Kommunen an. Wir wollen gemeinsam mit der kommunalen Familie für unsere Kinder und Kindeskinder die Weichen auf „Zukunft“ stellen. Viele Kommunen in Hessen verfügen aber nicht mehr über die notwendigen Mittel für diese Weichenstellung.

Natürlich sind die kommunalen Haushalte Sache der Kommunen. Für die nachhaltige Sanierung der öffentlichen Haushalte muss daher zunächst jede Kommune durch eigene Anstrengungen, z.B. auch durch interkommunale Zusammenarbeit, ihren Beitrag leisten.

Dieser eigene Beitrag kann aber nicht bedeuten, dass die Kommunen die für die Bürger notwendigen Infrastruktureinrichtungen nicht mehr aufrecht erhalten können. Die Konsolidierung unserer Haushalte kann deshalb nur in fairer Partnerschaft zwischen Land und kommunaler Familie gelingen.

Wir wollen deshalb verhindern, dass die Schuldenbremse unsere Kommunen vor neue Probleme stellt. Eine Schuldenbremse des Landes auf Kosten der Kommunen umzusetzen, wäre der falsche Weg.

Die Landesregierung ist deshalb auch offen für ergänzende Klarstellungen bei der angestrebten Verfassungsänderung zur Schuldenbremse.

Dabei steht völlig außer Frage, dass das Land letztlich der Garant für die Kommunen ist. In dieser Verantwortung wollen wir jetzt einen neuen, ganz konkreten Beitrag für die Konsolidierung der kommunalen Haushalte leisten, der so in der Bundesrepublik sicherlich Beispiel gebend sein wird:

Wir bieten den hessischen Kommunen die Einrichtung eines kommunalen Schutzschirms an, um die Bekämpfung der Verschuldung unserer Kommunen gemeinsam angehen zu können.

Ich bin mir dabei bewusst, dass man in einer so vielfältigen kommunalen Landschaft wie in Hessen nicht von den Kommunen sprechen kann. Es liegt auf der Hand, dass die Verhältnisse in Frankfurt oder Bad Homburg völlig anders sind als z. B. in Offenbach oder vielen kleinen Gemeinden.

Die hessischen Kommunen sind im Durchschnitt die steuerstärksten in ganz Deutschland. Allerdings verteilen sich diese Einnahmen höchstunterschiedlich.

Die strukturellen Unterschiede innerhalb der kommunalen Familie erfordern neue Maßnahmen: Die Landesregierung ist deshalb bereit, die Altschuldenproblematik gemeinsam mit den Kommunen anzugehen.

Als Land wollen wir einen eigenen Beitrag zur Bewältigung dieses Problems leisten. Wir bieten an, kommunale Verbindlichkeiten nach dem Bedürftigkeitsprinzip in einem Fonds zu bündeln und zur langfristigen Tilgung einen Betrag von bis zu drei Milliarden Euro aus Landesmitteln zu leisten. Mit dieser partiellen Schuldenübernahme wollen wir Not leidenden Städten, Gemeinden und Landkreisen spürbar helfen.

Gleichzeitig werden wir Regeln dafür finden, wie wir die Zinslasten des Fonds gemeinsam tragen können.

Wir wollen bedarfsorientiert und zielgenau – nicht nach dem Gießkannenprinzip – helfen. Unsere Konsolidierungsangebote sind Hilfe zur Selbsthilfe. Sie sollen in Kombination mit eigenen Anstrengungen der betroffenen Kommune sicherstellen, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit wieder dauerhaft gewährleistet ist.

Um es ganz konkret zu sagen: Wir wollen erreichen, dass Kommunen auch künftig noch z.B. Spielplätze, Sportanlagen und Schwimmbäder bauen und unterhalten können.

Wir wollen mit der kommunalen Seite einen Weg verabreden, nach welchen Kriterien wir den Zugang zu einem solchen Fonds ermöglichen und welche verbindlichen Konsolidierungsschritte die betreffenden Kommunen dabei gehen müssen.

Wir werden dabei darauf zu achten haben, dass wir einen Weg finden, bei dem wir diejenigen, die schon jetzt erhebliche eigene Anstrengungen unternommen haben, fair behandeln gegenüber jenen, die diese eigenen Anstrengungen nicht oder nicht ausreichend unternommen haben.

Dieser kommunale Schutzschirm ist ein Hilfsangebot, das jede einzelne Kommune annehmen kann, aber nicht muss.

Auch der Landeswohlfahrtsverband als kommunale Einrichtung kann in diese Überlegungen mit einbezogen werden.

Wir streben bei diesen Gesprächen einen belastbaren Konsens an. Wir wollen niemandem etwas überstülpen, sondern gemeinsam mit den Betroffenen an der nachhaltigen Reduzierung der kommunalen Verschuldung arbeiten.

Das sind die Eckpunkte, mit denen die Landesregierung in die Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden gehen will.

Ich habe den Finanzminister gebeten, sehr bald die Gespräche mit der kommunalen Familie aufzunehmen, um gemeinsam ein detailliertes Handlungskonzept zu entwickeln, das sich an den geschilderten Leitlinien orientiert.

Ich appelliere an alle Beteiligten, meinen Vorschlag zügig aufzugreifen und als Chance zu betrachten.

Wir setzen Prioritäten für ein neues Miteinander

Als Staat können wir nicht alles, aber wir können für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen.

Diese Landesregierung steht für einen starken Staat, der um seine Grenzen weiß:

Wir wollen das gewährleisten, was die Menschen zu Recht vom Staat erwarten, wie etwa eine konsequente Sicherheitspolitik und die besten Voraussetzungen für die Bildung unserer Kinder. Wir stehen für einen starken Staat, der seine Aufgaben in solchen Kernbereichen erfüllt.

Wir wissen aber auch um die Grenzen des Staates, wenn es etwa um persönliche Freiheitsrechte und das gesellschaftliche Klima geht. In diesen Bereichen wollen wir moderieren, Impulse geben, Unterstützung leisten. Nur ein Staat, der seine Grenzen kennt, bleibt auf Dauer handlungsfähig.

Deshalb müssen wir uns immer wieder die Frage stellen,

  • was muss zwingend der Staat tun,

  • was sollen die Bürger tun und

  • wo soll der Staat gesellschaftliche Prozesse moderieren?

Als Hessische Landesregierung haben wir eine klare Vorstellung davon, worauf es in Zukunft ankommt.

Lassen Sie mich anhand einiger zentraler Schwerpunktbereiche aufzeigen, was unser Bild von Staat und Gesellschaft für die Politik dieser Landesregierung bedeutet.

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Kinder, Familie, Bildung**

Wir wollen die Zukunft auf einem soliden Fundament bauen. Deshalb setzen wir unseren ersten Schwerpunkt ganz bewusst bei den Kindern, bei den Familien und bei der Bildung in unserem Land.

Die Gründung einer Familie ist eine private Entscheidung. Als Landesregierung wollen wir aber jungen Menschen auch Mut zur Familie machen, indem wir alles dafür tun, dass Familien sich in Hessen willkommen fühlen und ein Zuhause finden.

I.

Dabei setzen wir nicht auf Ideologie, sondern auf Erfahrung. Der Staat soll und darf den Eltern die Aufgabe der Erziehung nicht abnehmen, jedenfalls solange, wie die Eltern ihre Pflichten ernst nehmen. Erziehung und Bildung sind zuvorderst das Recht, aber auch die Pflicht der Eltern!

Unsere Familienpolitik basiert auf Vertrauen. Wir vertrauen den Eltern in unserem Land und wollen sie in ihrer wichtigen Aufgabe unterstützen. Für uns gilt: Hilfe für die Eltern darf nicht zur Bevormundung der Eltern führen!

Umgekehrt gilt aber auch: Die Kinder, deren Eltern entweder nicht in der Lage oder nicht willens sind, die Verantwortung für ihre Kinder zu tragen, darf der Staat nicht allein lassen. Wir werden deshalb unsere Maßnahmen zum Kinderschutz verstärken, wie wir es in der Koalitionsvereinbarung detailliert aufgeführt haben.

Wir haben großen Respekt vor denen, die ihre berufliche Karriere zurückstellen, um sich selbst der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder zu widmen. Dasselbe gilt auch für diejenigen, die ihre Berufstätigkeit fortsetzen und eine außerhäusliche Betreuung ihrer Kinder in Anspruch nehmen oder auf sie angewiesen sind.

Das Leben mit Kindern stellt gerade auch berufstätige Eltern vor besondere Herausforderungen. Als hessische Landesregierung wollen wir mit aller Kraft vermeiden, dass Kinder und Beruf als Gegensatz wahrgenommen werden.

Deshalb werden wir das Betreuungsangebot bedarfsgerecht ausbauen. Ob die Betreuung außer Haus oder zuhause stattfindet, ist dabei Sache der Eltern!

Im Sinne dieser Wahlfreiheit setzen wir deshalb auf alle Formen der Betreuung: in Kitas, bei Tagesmüttern, bei den Eltern zuhause.

Um den Bedarf in der außerhäuslichen Betreuung von Kindern im Alter von unter drei Jahren abdecken zu können und damit dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz gerecht zu werden, werden wir den Ausbau des U3-Betreuungsangebots weiter entschlossen vorantreiben.

Wir wollen sowohl quantitativ als auch qualitativ Fortschritte erzielen: Quantitativ durch mehr Angebote, mehr Plätze und mehr Erzieher. Qualitativ durch eine Offensive für frühe Bildung.

Das in unserer Koalitionsvereinbarung vorgesehene Bonusprogramm sowie die beabsichtigte Umstellung des bisherigen trägerbezogenen Fördersystems auf eine unmittelbare Förderung des einzelnen Kindes werden diese Maßnahmen flankieren. Wir wollen Wahlfreiheit und Trägervielfalt gewährleisten!

Um berufstätigen Eltern so viel Zeit mit ihren Kindern wie möglich einzuräumen und die Kinderfreundlichkeit unserer Betriebe zu steigern, wollen wir auch den Ausbau der betrieblichen Betreuung fördern. Insbesondere die Einrichtungen des Landes sollen hier beispielgebend sein. Wir setzen auf den familienfreundlichen Betrieb, nicht auf die betriebsfreundliche Familie!

Wir werden das Vorhaben eines Hessischen Kinderfördergesetzes, das alle Maßnahmen und Fördermöglichkeiten für Kinder in Tagesstätten und in der Tagespflege bündelt und systematisiert, umsetzen. Dies ist auch ein Zeichen, dass uns dieser Bereich besonders am Herzen liegt.

Wir wenden uns gegen eine Verschulung der frühen Kindheit. Gleichzeitig stellen wir uns aber der Verantwortung für die frühen Grundlagen des späteren Bildungserfolgs der Kinder in unserem Land. Frühkindliche Bildung ist deshalb kein Luxus, sondern Pflicht.

Sprache ist der Schlüssel zur Teilhabe an der Bildung. Deshalb werden wir die frühe Sprachförderung fortsetzen und optimieren.

In diesem Zusammenhang will ich auch einmal daran erinnern, welch maßlose Kritik uns entgegengeschlagen ist, als wir damals als erste in der Bundesrepublik Deutschkurse für Kindergarten- und Vorschulkinder eingeführt haben. Diese weitsichtige Entscheidung hat dazu geführt, dass solche Kurse heute Standard in ganz Deutschland sind.

Wir werden die landesweite Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans vorantreiben und entsprechende Qualifizierungsprogramme für Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrkräfte anbieten.

Es bleibt unser Ziel, die Kinder in unserem Land vor dem Übergang vom Kindergarten in die Schule durch ein Vorbereitungsjahr umfassender als bisher mit den Herausforderungen der neuen Schulwelt vertraut zu machen.

Wir wissen, dass die Erziehung von Kindern heute komplexer geworden ist. Deshalb wollen wir das Selbstvertrauen junger Eltern stärken.

Dazu werden wir ein Netz von Service-orientierten Familienzentren einrichten, um die Hemmschwelle für die Inanspruchnahme von Erziehungsberatung abzusenken.

Wir werden ein Konzept entwickeln, das bestehenden Kindertageseinrichtungen die Bewerbung, die Zertifizierung und den Ausbau als Familienzentrum ermöglichen soll. Eltern sollen hier schnell und unkompliziert über Angebote der Elternbildung im öffentlichen wie im privaten Bereich informiert werden.

Darüber hinaus haben wir auch den Anspruch, Maßnahmen zu entwickeln, die die Familien in unserem Land entlasten.

Dazu nur eine Zahl: Allein seit 2007 haben wir die Mittel für Kinder und Familien auf über 100 Millionen Euro mehr als vervierfacht.

Noch eine aktuelle Zahl: Über 40.000 Anträge vor ihrem offiziellen Start zeigen deutlich: Mit der „Familienkarte Hessen“ treffen wir die Bedürfnisse der Familien in unserem Land. Das ist eine überwältigende Resonanz!

Die „Familienkarte Hessen“ bietet eine Vielzahl von Serviceleistungen im Bereich der Kinderbetreuung, Erziehung und Versicherung und ist damit sehr viel mehr als eine bloße Rabattkarte. Sie setzt ein klares Zeichen für die Familien.

Die „Familienkarte Hessen“ ist ein gutes Beispiel dafür, was wir erreichen können, wenn wir als Staat die Initiative ergreifen und die Einsatzbereitschaft zahlreicher Akteure unserer Gesellschaft zielorientiert zusammenführen.

II.

Unsere Schulpolitik stellen wir in den Dienst der Schüler und Eltern. Uns geht es um die Arbeit im System Schule, nicht am Schulsystem. Ob Schüler, Eltern oder Lehrer – sie alle haben die endlosen Strukturdebatten satt!

Das Ergebnis der Hamburger Volksabstimmung vom vergangenen Juli sollte auch dem Letzten klar gemacht haben: Die Bürger haben die Nase voll von bildungspolitischer Bevormundung und Zwangsbeglückung durch die Politik!

Wir wollen deshalb keine neuen Experimente, wenn es um die Zukunft ganzer Schülergenerationen geht. Wir wollen Vielfalt und Wahlfreiheit ermöglichen. Diese Vielfalt wird letztlich nur in einem gegliederten Schulsystem möglich sein. Der Zwang zur Einheitsschule führt nicht zu besserer Bildung, sondern setzt die gescheiterte Bevormundung fort!

In einem gegliederten Schulsystem darf es keine Sackgassen bei der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen geben. Wir wollen deshalb die Durchlässigkeit des gegliederten Schulwesens weiter erhöhen. Das ist ein Gebot der Chancengerechtigkeit, der wir uns verpflichtet wissen.

Wir haben in Hessen die Schulpolitik entscheidend vorangebracht. Unterrichtsausfall, über Jahrzehnte eine Geißel der hessischen Schullandschaft, wurde unter unserer Verantwortung praktisch abgeschafft.

Die Zusammenführung von Haupt- und Realschulen zur neuen Mittelstufenschule wird sowohl den Hauptschülern als auch den Realschülern durch begabungsgerechte Differenzierungen bessere Zukunftschancen eröffnen.

Wir haben die Ganztagsbetreuung kontinuierlich ausgebaut. Dieser Kurs wird ebenso fortgesetzt wie unsere Bemühungen, die Klassengrößen weiter zu verkleinern. Nach den vielen Tausenden neuen Lehrerstellen der letzten Jahre werden wir auch im kommenden Jahr wieder 650 Lehrer zusätzlich einstellen.

Wir stehen deshalb zu unserer Verpflichtung, den Schülerinnen und Schülern bestmögliche Rahmenbedingungen zu gewährleisten.

Schulfrieden bedeutet dabei keineswegs Stillstand! Wir sind offen für neue Wege. Dabei müssen aber Augenmaß und Umsicht gewahrt bleiben. Wir sind bereit, z. B. mit der „selbstständigen Schule“ den Schulen mehr Freiräume und mehr Selbstständigkeit einzuräumen. Dabei müssen sich diese neuen Elemente aber von unten her entwickeln und bewähren statt von oben verordnet zu werden.

Wir haben Vertrauen in die verantwortlichen Akteure vor Ort. Wir brauchen die Unterstützung durch engagierte Lehrer! Engagierte Lehrer sind für eine geglückte Ausbildung unserer Kinder um ein Vielfaches wichtiger als jede Debatte um Schulstrukturen.

Deshalb will ich ganz bewusst die Gelegenheit dieser Regierungserklärung nutzen, um den Lehrerinnen und Lehrern in Hessen „Danke“ zu sagen. Sie verrichten nicht irgendeinen Job, sondern bilden unsere Zukunft aus. Ihnen vertrauen die Menschen das an, was ihnen am wertvollsten ist: ihre Kinder und deren Ausbildung.

Für die Erfüllung dieser verantwortungsvollen Aufgabe sollen die Lehrer in unserem Land breite Unterstützung erhalten. Als Landesregierung wollen wir durch eine bessere Lehrerausbildung und durch ein neues Hessisches Lehrerbildungsgesetz dazu beitragen.

Entscheidender als alle Gesetze ist, dass wir die Schulen in Ruhe arbeiten lassen. Lassen Sie uns den ideologischen Streit begraben und konzentrieren wir uns darauf, die Schulen bei der Wahrnehmung ihrer vielfältigen neuen Aufgaben – etwa im Rahmen des demographischen Wandels und der Integration – zu unterstützen.

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Unsere Heimat Hessen**

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit gilt unserer Heimat. Heimat ist der Ort der Identifikation, der Vertrautheit und der Geborgenheit. Unsere Heimat ist uns vertraut, aber sie ist uns auch anvertraut.

I.

Um sich heimisch oder – um es mit einem anderen Wort zu sagen – geborgen zu fühlen, brauchen die Menschen Sicherheit. Dies gilt in vielerlei Hinsicht, von der materiellen Sicherheit bis zur sogenannten „Inneren Sicherheit“.

Die Menschen wollen frei, sie wollen aber auch sicher leben! Sicherheit ist ein Grundbedürfnis der Menschen und eine Grundverpflichtung des Staates. Die bisherige Landesregierung hat deshalb der Inneren Sicherheit stets politische Priorität eingeräumt. Das wird auch bei der neuen Landesregierung so bleiben!

Die Erfolge unserer bisherigen Politik sind messbar. Hessen hat heute eine hervorragende Sicherheitsarchitektur und gehört zu den sichersten Ländern Deutschlands. Wir haben heute die historisch höchste Aufklärungsquote in Hessen und deutlich weniger Straftaten als vor 10 Jahren.

Diesen Kurs setzen wir fort und werden auch im kommenden Jahr wieder 550 neue Polizistinnen und Polizisten in den Dienst einstellen.

Auch der Verfassungsschutz leistet hervorragende Arbeit: Extremisten aller Couleur haben in Hessen keine Chance. Bei den extremistisch motivierten Gewalttaten steht Hessen seit Jahren im Vergleich mit anderen Bundesländern am besten da. Wir werden alles tun, dass das so bleibt!

Eine zukunftsweisende Sicherheitsarchitektur und modernste Technik sind wichtig. Entscheidend sind jedoch die Menschen, die sich für unser aller Sicherheit einsetzen.

Ich will die Gelegenheit dieser Regierungserklärung deshalb auch nutzen, den hessischen Polizeibeamten und Verfassungsschützern für ihren engagierten Dienst im Interesse der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger herzlich zu danken.

II.

Das Bedürfnis nach Heimat umfasst mehr als Sicherheit und materielle Umstände. Der Mensch braucht auch heute eine geistliche Heimat. Religion gehört zum Menschen dazu. Es ist deshalb unsere Pflicht als Staat, die Möglichkeit zur religiösen Selbstentfaltung in unserer Gesellschaft zu garantieren.

Es ist eine historische Errungenschaft, dass Politik und Religion in unserem Land voneinander getrennt sind. Gleichzeitig gilt: Die religiösen Gemeinschaften brauchen den toleranten Staat genauso wie unsere Gesellschaft den Seelsorge- und Sozial-Dienst der religiösen Gemeinden braucht.

Die christlichen Kirchen in Hessen leisten einen entscheidenden Beitrag zur Sinnstiftung und Wertevermittlung in unserer Gesellschaft. Darüber hinaus tragen ihre karitativen Einrichtungen dazu bei, Menschen in Notlagen weiterzuhelfen und ihnen Perspektiven aufzuzeigen.

Deshalb wollen wir als Landesregierung unsere Bereitschaft zur vertrauensvollen Zusammenarbeit erneut zum Ausdruck bringen. Dies gilt besonders für die Bereiche, wo Staat und Kirche unmittelbar zusammenwirken, etwa in den Fragen des Religionsunterrichts, in kirchlich getragenen Bildungseinrichtungen oder der theologischen Ausbildung an den Universitäten.

Ich freue mich, dass in vielen Teilen unseres Landes die jüdische Religion und die jüdische Kultur wieder eine Heimat gefunden haben. Dies ist mit Blick auf die Geschichte unseres Landes keineswegs selbstverständlich, sondern ein Grund zu großer Freude. Morgen ist das jüdische Neujahrsfest „Rosch ha-Schana“: Ich wünsche allen Hessen jüdischen Glaubens ein gutes neues Jahr!

Viele Mitbürgerinnen und Mitbürger in Hessen haben ihre geistliche Heimat im Islam. Wir wollen sicherstellen, dass auch Muslime ihren Glauben in Hessen leben können. Ich grüße deshalb auch alle Hessen muslimischen Glaubens, die zur Zeit mit dem Fastenbrechen ihr Freudenfest feiern.

Damit das öffentliche Bekenntnis zum muslimischen Glauben und eine gelungene Integration nicht als Gegensatz angesehen werden, wollen wir unsere Anstrengungen für ein Angebot der religiösen islamischen Bildung fortsetzen und dort ermöglichen, wo es gewünscht ist.

Der Staatsminister für Justiz, für Integration und Europa und zugleich mein Stellvertreter, Kollege Jörg-Uwe Hahn, hat sich bei diesem Anliegen bereits große Verdienste erworben. Er wird auch weiterhin diejenigen Partner zusammenbringen, die bei der Umsetzung dieses wichtigen Unterrichtsangebots mitwirken müssen.

Ich verkenne nicht die vielfältigen praktischen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind. Dies gilt besonders mit Blick auf die sorgfältige Suche nach geeigneten, unabhängigen islamischen Kooperationspartnern.

Bedenkenswert scheinen mir in diesem Zusammenhang die Worte des Vorsitzenden des Wissenschaftsrats, Professor Peter Strohschneider, der mit Blick auf die Einrichtung des islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen formulierte: „Der säkulare Staat muss ein Interesse daran haben, Religiosität für die Gesellschaft fruchtbar zu machen!“ Ich teile diese Auffassung!

Dieses Interesse muss auch für die wachsende Gruppe von Menschen muslimischen Glaubens in unserer Gesellschaft gelten. Vor diesem Hintergrund begrüße ich es sehr, dass neben dem bereits bestehenden Studienangebot an der Universität Marburg nun die Universität Frankfurt angekündigt hat, ab dem kommenden Wintersemester einen Bachelor-Studiengang „Islamische Studien“ anzubieten.

Diesen Weg müssen wir weitergehen. Nicht nur, um die Ausbildung islamischer Religionslehrer und Seelsorger zu gewährleisten, sondern auch, um die islamische Theologie in die reiche Tradition der theologischen Wissenschaften an den deutschen Hochschulen zu integrieren.

**III.

**

Ein anderer Teil dessen, was wir als Heimat begreifen, ist unsere Umwelt. Der Schutz der Umwelt ist mit gutem Grund zum Staatsziel erhoben worden. Berichte über den Klimawandel zeigen uns immer wieder: Die Ressource Natur ist nicht unendlich.

Diese Bewusstseinsbildung wollen wir vorantreiben. Wir wollen innovativ dazu beitragen, dass sich auch weiterhin alle Teile unserer Gesellschaft kreativ an die Lösung der Frage begeben, wie wir zu einer umweltgerechten Lebensweise kommen können.

Aus der Forstwirtschaft stammt ein Prinzip, dass meines Erachtens Grundlage eines jeden modernen Politikansatzes sein muss: die Nachhaltigkeit. Es bedeutet schlicht, nur so viel verbrauchen, wie nötig, und die Zukunft dabei stets im Auge behalten.

Dabei wollen wir es nicht bei einzelnen Initiativen belassen, sondern unsere Politik insgesamt an diesem Prinzip ausrichten. Wir behalten deshalb die im Jahre 2008 ins Leben gerufene Nachhaltigkeitsstrategie bei und werden diese weiterentwickeln.

Beim Schutz der Umwelt kommt dem ländlichen Raum in Hessen eine besondere Bedeutung zu. Dort können wir ganz konkret erfahren, was intakte Natur bedeutet.

Doch der ländliche Raum ist mehr als Natur. Er ist auch der Lebensraum vieler Menschen und ein wesentlicher Bestandteil unserer hessischen Kultur. Wir wollen sicherstellen, dass der ländliche Raum auch künftig für vielfältige Chancen und für Lebensqualität steht.

Ich nenne hier die Breitbandversorgung als wesentlichen Standortfaktor. Sie ist heute Teil einer technischen, wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur, die dem Zusammenhalt der Gesellschaft dient. Insbesondere für die ländlichen Gebiete Hessens muss es darum gehen, die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation wie in den städtischen Gebieten nutzen zu können.

Die Landesregierung wird daher die flächendeckende Breitbandgrundversorgung sicherstellen und den Aufbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen energisch vorantreiben. Das wollen wir mit allen Beteiligten, den Unternehmen und den Kommunen, gemeinsam bewältigen.

Den Ausgleich der gelegentlich auseinandergehenden Interessen der ländlich strukturierten Gebiete unseres Landes und der Ballungsräume in Hessen sehen wir als eine wichtige Aufgabe der Landesplanung an.

Die hessische Landwirtschaft ist nicht nur ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, sondern auch für die Pflege des ländlichen Raumes unverzichtbar. Den Landwirten in Hessen verdanken wir die Versorgung mit gesunden Lebensmitteln, den Erhalt unserer Naherholungsgebiete und die Pflege unserer Landschaft. Dazu gehört auch die Förderung des Verbraucherschutzes, der uns ein wichtiges Anliegen ist.

Unseren hessischen Bauern will ich daher versichern, dass wir uns zu ihrem Besten in Berlin und vor allem in Brüssel einsetzen werden.

IV.

Hessen ist ein Land der Vielfalt, das sowohl von ländlichen Räumen als auch von Stadtlandschaften und Industriegebieten geprägt wird. So unterschiedlich die einzelnen Regionen auch sein mögen, gilt doch für alle, dass für ihre Zukunftsentwicklung die Sicherstellung sauberer, sicherer und bezahlbarer Energie von größter Bedeutung ist.

Wir stehen für eine Energiepolitik ohne ideologische Scheuklappen! Wir bekennen uns zu den ehrgeizigen Zielen des Energiekonzeptes 2020 und wollen unseren gesamten Energiebedarf langfristig über regenerative Energieträger decken.

Der Weg dorthin kann aber nur über einen vernünftigen und realistischen Energiemix führen. Dazu gehören auf absehbare Zeit auch moderne Kohlekraftwerke und Kernenergie auf höchstem Sicherheitsstandard.

Die erneuerbaren Energien – also Wind, Sonne, Biomasse, Geothermie – stellen die saubersten aller Energieträger dar. Deshalb setzen wir schon heute auf sie und wollen ihren Anteil am hessischen Energiemix weiter ausbauen.

Diejenigen aber, denen das zu wenig an Vision ist, will ich an die Realität erinnern: Die landschaftliche Prägung unseres Bundeslandes lässt z.B. Windkraft im großen Stil nicht zu. Und das Klima in unseren Breiten ist auch für eine extensive Nutzung von Sonnenenergie nicht geeignet.

Trotzdem gilt: Dort, wo es Sinn macht, die Öko-Bilanz stimmt und wir die Menschen vor Ort nicht überfordern, werden wir die Nutzung der Biomasse, der Windkraft, der Sonnenenergie und – wenn möglich – der Geothermie deutlich ausbauen.

Schon jetzt wird in Hessen mit großer Kompetenz eine Vielzahl von Maßnahmen zur Förderung der Erneuerbaren Energien umgesetzt. Ob in Universitäten, Forschungsinstituten, Ingenieur-Büros oder Unternehmen: Hier wird mit Hochdruck geforscht und umgesetzt – vom optimalen Netzausbau bis hin zu intelligenten Speichertechnologien.

Gerade mit Blick auf Energie- und Wärmeversorgung gibt es eine ganze Reihe innovativer Ansätze auch für die Kommunen in Hessen.

Diese bereits vorhandenen Kapazitäten und diesen Sachverstand wollen wir stärker ausbauen und nutzen. Ich sehe hier auch große Chancen für die Zusammenarbeit zwischen den Kommunen. Deshalb werden wir den Austausch mit und unter den Städten und Gemeinden auch in diesem Feld ausbauen.

Doch unsere Vision der Energieversorgung von morgen hört nicht an den Landesgrenzen auf: Gemeinsam mit den Kommunen wollen wir dort investieren, wo Energie in großen Mengen zu generieren ist. Das gilt zunächst einmal für den Ausbau von Offshore-Anlagen auf hoher See. Ich begrüße es deshalb sehr, dass die jetzige Bundesregierung den notwendigen Ausbau der Netz-Infrastruktur entschieden vorantreiben will.

Es ist aber auch eine greifbare Vision, dass wir unser Know-how im Bereich der Solartechnik nutzen, um die tagtägliche Sonneneinstrahlung in nicht besiedelten Wüstengebieten anderer Kontinente für unsere heimische Energieversorgung nutzbar zu machen. Konzepte dafür gibt es bereits, und bei Berücksichtigung noch vieler Details, z. B. hinsichtlich der Speicherung und der politischen Stabilität, sehen wir die Verwirklichung solcher Vorhaben in geeigneten Gegenden nicht als unlösbar an.

Wir setzen auf die erneuerbaren Energien – als Energieträger und als Technologien für die Zukunft. Wir wollen, dass diese Technologien aus Deutschland und aus Hessen kommen. Es sind unsere Produkte für die Märkte der Zukunft und damit ein wichtiger Teil der Sicherung unseres Wohlstands.

Aktiv für Hessen

Nachhaltigkeit hat nicht nur eine ökologische Dimension, sondern auch eine soziale Komponente. Die Förderung des sozialen Bewusstseins und der aktiven Bürgergesellschaft macht den dritten Schwerpunkt unserer gemeinsamen Arbeit für ein starkes Hessen aus.

Der Staat kann gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht verordnen. Aber er kann vieles dafür tun, dass Räume für das zwischenmenschliche Miteinander geschaffen werden.

I.

Viele Menschen in Hessen engagieren sich ehrenamtlich für unser Gemeinwesen. Sie machen es möglich, dass wir Gemeinschaft erleben. Stabile soziale Verhältnisse helfen uns, unser Potential maximal auszuschöpfen. Deshalb wollen wir als Landesregierung die Strukturen stärken, die den Menschen in Hessen ihr Selbstvertrauen geben.

Die Vereine in Hessen sind dabei ein maßgebliches Fundament. Vereine führen Menschen zusammen. Vereine sind der Kit unserer Gesellschaft. Vereine geben der Gemeinschaft eine Identität, ein Gesicht.

Diesen Einsatz der ehrenamtlich Engagierten in unserem Land zu würdigen, zu ermutigen und zu fördern, bleibt für diese Landesregierung eine besondere Verpflichtung, die wir unter Anderem durch die Stärkung der Ehrenamtskampagne „Gemeinsam aktiv!“ erfüllen werden.

II.

Gemeinsam für ein starkes Hessen und aktiv für Hessen – das gilt auch für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Rund 150.000 Frauen und Männer haben unser Land als ihren Arbeitgeber gewählt. Sie arbeiten an den unterschiedlichsten Stellen für die Bürger und Bürgerinnen.

Wir wollen den öffentlichen Dienst als attraktives Arbeitsumfeld weiterentwickeln. In der nun anstehenden zweiten Stufe der Dienstrechtsreform werden wir mehr Elemente der Flexibilität und Leistungsgerechtigkeit insbesondere in den Bereichen des Laufbahn-, des Besoldungs- und des Versorgungsrechts einführen. Dabei werden wir auch die Möglichkeiten des Wechsels von der privaten Wirtschaft in den öffentlichen Dienst und umgekehrt deutlich erhöhen.

Ziel aller Maßnahmen ist es, die Leistungskraft des öffentlichen Dienstes zu erhalten und ein moderner Arbeitgeber und damit Vorbild zu sein. Nur so können wir als öffentliche Hand den zunehmenden Wettbewerb mit der Privatwirtschaft um qualifizierte Arbeitskräfte erfolgreich bestehen.

Die Verwaltungsmodernisierung dient auch diesem Ziel. Schon Georg August Zinn erklärte 1959 Verwaltungsreformen zur „Kleinarbeit in Permanenz“. Was bereits 1959 richtig war, hat bis heute nichts an Gültigkeit verloren.

Zu dieser Kleinarbeit muss auch gehören, dass wir kritisch prüfen, ob z. B. bei der Neuen Verwaltungssteuerung und beim produktorientierten Haushalt nicht auch weniger komplexe und einfachere Regeln genügen können.

Ganz bewusst will ich in meiner ersten Regierungserklärung meinen Dank an die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in unserem Land zum Ausdruck bringen. Sei es die Krankenschwester, der Förster, die Lehrerin, die Erzieherin oder der Sachbearbeiter im Ministerium – sie alle leisten Großartiges für unser Land.

Dieser Dank gilt ebenso allen, die sich im Bereich der Feuerwehren, Rettungsdienste und der Hilfsorganisationen engagieren. Sie leisten den vornehmsten Dienst. Sie helfen Menschen in Not – die meisten von ihnen freiwillig und ehrenamtlich. Dabei nehmen sie Aufgaben wahr, deren Erfüllung Kernbestand des staatlichen Auftrags ist.

Es ist mir ein persönliches Anliegen und es ist meines Erachtens eine Selbstverständlichkeit, dass wir alle diese Arbeit unterstützen und dass dieser Einsatz eine gebührende Würdigung durch die Öffentlichkeit erfährt!

III.

Ich hatte bereits auf die wichtige Funktion unserer Vereine für das gedeihliche Zusammenleben unserer Gesellschaft hingewiesen. Dieses Verdienst kommt allen Vereinen und Initiativen zu. Im besonderen Maße gilt dies aber für den Sport und die Sportvereine.

Keine Institution, keine PR-Kampagne und kein politisches Programm erreicht so viele Menschen in Hessen wie der Sport. Der Sport stiftet Gemeinschaft und ist damit von existentieller Bedeutung für unseren Zusammenhalt.

Der Sport erreicht alle Schichten unserer Gesellschaft, Menschen jeden Alters, gesunde und behinderte Menschen, diejenigen, die schon immer hier gelebt haben und diejenigen, die aus vielen Ländern zu uns gekommen sind.

Wir fördern den Sport auch deshalb, weil wir um seinen Wert für die Gesundheit der Menschen in Hessen wissen. Lange vor der Bekämpfung der Symptome von Krankheiten muss es uns darum gehen, Sport als normalen Bestandteil des alltäglichen Lebens im Bewusstsein der Menschen zu etablieren.

In unseren Erziehungs- und Bildungsplänen müssen wir sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche neben kognitiver und musischer Förderung auch den Sport als gleichwertigen Teil ihrer Persönlichkeitsentwicklung erfahren können.

Durch eine Vielzahl bundesweit anerkannter Initiativen haben wir den hohen Rang des Sportes gewürdigt und können heute zu Recht vom „Sportland Hessen“ sprechen.

Es wird Sie, meine Damen und Herren, sicherlich nicht überraschen, wenn ich auch zukünftig in meiner neuen Funktion als Ministerpräsident des Landes Hessen dem Sport in besonderer Weise verbunden bleiben werde.

IV.

Dem Sport kommt auch im Bereich der Integration eine tragende Rolle zu. Nicht nur im Fall unser Fußball-Nationalmannschaft, sondern tagtäglich leistet der Sport und leisten insbesondere die Vereine ganz praktische Integrationsarbeit.

Gelungene Integration ist natürlich mehr als das gemeinsame Sporttreiben. Wir setzen hohe Maßstäbe an unsere Integrationspolitik. Um es mit den Worten von Max Frisch zu sagen: Wir wollen „denen, denen die Heimat zur Fremde, aber die Fremde nicht zur Heimat geworden ist“, eine neue Heimat bieten.

Unsere Mitbürger aus anderen Ländern und Kulturen heißen wir in Hessen willkommen. Hessen kann auf eine große Geschichte zurückblicken, wenn es darum geht, eine Kultur des Willkommens zu entwickeln.

Ministerpräsident Georg August Zinn rief einst den Vertriebenen aus dem Osten zu: „Hesse ist, wer Hesse sein will!“ Die Heimatvertriebenen haben sich schnell in die deutsche Nachkriegsgesellschaft eingebracht und sind damit zum Musterbeispiel für eine gelungene Integration im großen Stil geworden.

Sicher stehen alleine aufgrund der Sprachbarriere die Migranten von heute vor anderen Herausforderungen als die Zugewanderten von damals. Umso wichtiger ist es uns als Landesregierung, ein unmissverständliches Signal ins Land zu geben: Wir laden deshalb Migranten, die dauerhaft bei uns leben wollen, ein, Hessen zu werden.

Hessen ist seit Regierungsantritt der bürgerlichen Koalition anerkanntermaßen Vorreiter und Vorbild im Bereich der Integration.

Neben den von uns eingeführten Deutschkursen hat sich auch der Integrationsbeirat zu einer festen Größe entwickelt. Ähnliches wünschen wir uns für die Integrationskonferenz, die wir unter Leitung von Herrn Kollegen Hahn vor einem Jahr ins Leben gerufen haben.

Für ein starkes Miteinander in Hessen brauchen wir gelungene Integration. Diese wird länger brauchen, als viele dachten und sie verlangt von beiden Seiten besondere Anstrengungen.

Man darf erwarten, dass Menschen, die sich freiwillig entschieden haben, in einem anderen Land zu leben, dieses Land mit seinen Gesetzen und Lebensweisen achten. Auch kann man erwarten, dass sie zum Wohlstand des Landes, von dem sie sich ja ein besseres Leben erhoffen, beitragen und sich von den Bewohnern des Landes nicht abgrenzen, sondern selbst zu einem Teil der Gemeinschaft werden wollen. Dafür müssen sie nicht ihre Herkunft und Religion verleugnen, sollten aber auch nicht beabsichtigen, der angestammten Bevölkerung ihre Kultur und Religion aufzuzwingen.

Als aufnehmende Gesellschaft können wir Wege weisen und Hilfe anbieten, aber wir können den Zuwanderern nicht die Verantwortung für ihr Leben abnehmen. Zu dieser Verantwortung gehört es, dass sie selbst die Landessprache lernen und ihre Kinder in den Kindergarten und in die Schule schicken. Zuwanderer müssen erkennen, dass ihre Kinder in diesem Land nur eine Chance haben werden, wenn sie eine gute Ausbildung erhalten.

Es wird immer gelten: Wer sich in der Fremde immer wie ein Fremder verhält, wird fremd bleiben. Heimat wird hier nur derjenige finden, der diese Heimat annimmt und sich auch klar zu ihr bekennt. Nur so kann ein neues Miteinander wachsen!

V.

Uns ist dabei bewusst, dass nicht die Politik, sondern nur die Menschen in Hessen ein neues Miteinander verwirklichen können. Das gilt nicht nur für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, sondern mit Blick auf den demographischen Wandel auch für ihren Bestand insgesamt.

Die Veränderung der Bevölkerungsstruktur in unserem Land bringt mittlerweile konkrete Folgen für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen mit sich.

Bildung und Ausbildung, Integration und Sport, Kultur und Beruf, das Zusammenleben im Dorf und in der Stadt – alle Bereiche sind letztlich betroffen.

Der Staat kann den demographischen Wandel nicht umkehren, er kann ihn jedoch gestalterisch begleiten. Viel mehr als der Staat jedoch können die Vereine, die örtlichen Gemeinschaften und die Nachbarschaftsinitiativen dazu beitragen, die Folgen der massiven demographischen Veränderungen aufzufangen.

Dazu braucht es Engagement. Die Menschen wollen sich engagieren. Dafür brauchen sie kleine Einheiten des Miteinanders.

Das bürgerschaftliche Engagement ist ein zentrales Thema der Zukunft. Deswegen wird die Landesregierung hier einen neuen Impuls setzen:

Wir werden eine Landesstiftung „Miteinander in Hessen“ ins Leben rufen, die neue Initiativen zur Stärkung der Gemeinschaft entwickelt, fördert und begleitet. Wir wollen damit diejenigen unterstützen, die sich engagieren wollen.

Wir werden das mit dem Sachverstand tun, über den wir heute schon in Hessen verfügen – angefangen von den Freiwilligen- und Ehrenamtsagenturen vor Ort über die Bürgerstiftungen bis hin zu den Vereinen und Bürgerinitiativen.

Die neue Landesstiftung wird keine Stiftung sein, die sich „von oben“ einmischt, sondern die Unterstützung für andere anbietet.

Wir wollen mit Hilfe der Landesstiftung die Gründung von Bürgerstiftungen ermöglichen, erleichtern und ihre flächendeckende Zusammenarbeit gestalten. Diese können z. B. als Vereinsgemeinschaften, Genossenschaften oder Nachbarschaftshilfen organisiert sein.

Ich bin überzeugt, dass wir mit solchen Einrichtungen auch in der Lage sein werden, gerade in den Teilen des Landes, die durch die demographische Entwicklung vor besonderen Herausforderungen stehen, Lösungen zu finden, die es ermöglichen, dort auch künftig die notwendigen Leistungen der Daseinsvorsorge, der Mobilität oder auch der Kultur anzubieten.

Wir setzen in diesem Zusammenhang auch besonders auf die Einsatzbereitschaft der älteren Menschen in unserem Land. Viele Senioren engagieren sich z. B. in Vereinen und in Kirchen. Wir wollen neue Möglichkeiten aufzeigen, um das Potential der Lebenserfahrung älterer Menschen für unsere Gemeinschaft fruchtbar zu machen.

Gemeinschaft muss auch bedeuten, dass ältere Menschen möglichst lange selbstbestimmt und in Würde in dieser Gesellschaft leben können. Jung und alt dürfen nicht als Gegensätze empfunden werden, die unversöhnlich um knapper werdende Ressourcen kämpfen, sondern sich als Gemeinschaft gegenseitig wertschätzen und unterstützen.

In diesem Geist müssen wir die Herausforderungen der kommenden Jahre angehen. Wir haben allen Grund, dies selbstbewusst und zuversichtlich zu tun.

Innovationen fördern und Zukunftschancen nutzen

Einen großen Teil unseres Selbstbewusstseins und unseres Selbstvertrauens beziehen wir in Hessen aus der wirtschaftlichen Stärke unseres Landes.

Dafür gibt es gute Gründe: Die hessische Wirtschaft hat alle Potentiale, sich auch auf den Märkten der Zukunft in der Spitze wiederzufinden. Damit es uns gelingt, diese Potentiale zu nutzen, wollen wir als neue Landesregierung den erfolgreichen wirtschaftspolitischen Kurs fortsetzen.

Innovation auslösen, Zukunftschancen nutzen – das ist ein weiterer Schwerpunkt unserer künftigen Arbeit. Der Staat soll dabei selbst nicht unternehmerisch tätig sein, aber er soll im Sinne unserer Unternehmen tätig werden.

I.

Wir setzen auf den selbstständigen Unternehmer, weil wir wissen, woher das Gros unserer wirtschaftlichen Stärke kommt. Im Mittelstand und in den freien Berufen finden sich die Leistungsträger der sozialen Marktwirtschaft, für die „Nachhaltigkeit“ nicht bloß ein politisches Gedankenkonstrukt ist, sondern ihr gelebtes Unternehmenskonzept darstellt.

Die mittelständischen Unternehmen in Hessen können sich darauf verlassen, dass wir uns vor Ort und in Brüssel und Berlin für ihre Interessen einsetzen.

Wir werden daran arbeiten, dass in Hessen auch weiterhin exzellente Ausgangsbedingungen für unternehmerisches Handeln gegeben sind.

Davon profitieren besonders die zahlreichen mittelständischen Unternehmen, die in ihrer spezialisierten Segmentsparte Weltmarktführer sind und dringend auf gute ausgebildete Fachkräfte und schnelle Zu- und Abfahrtswege über Straße, Schiene und Flugverkehr angewiesen sind.

Im Mittelstand werden jedoch nicht nur ein großer Teil unseres hessischen Wohlstands erarbeitet und die meisten Arbeitsplätze geschaffen. Darüber hinaus stellt der Mittelstand auch die meisten Ausbildungsplätze zur Verfügung und eröffnet jungen Menschen damit eine Perspektive für Beruf und Lebensplanung. Besonders auch dem Handwerk als starkem Träger der Ausbildung will ich deshalb meinen Dank aussprechen!

Hessen ist ein führendes Industrieland, und die Industrie stellt eine Vielzahl von Arbeitsplätzen zur Verfügung. Dies muss auch so bleiben! Wir werden deshalb dafür Sorge tragen, dass gerade auch bei nationalen oder auch europäischen Entscheidungen die Interessen der hessischen Industrie – von der Nutzung unserer Rohstoffe bis zur Erzeugung und Vermarktung der Produkte - die Betriebe in der Hessischen Landesregierung einen verlässlichen Partner haben.

II.

Einen wichtigen Beitrag für unsere Zukunftschancen leistet der Staat dadurch, dass er für die akademische Bildung die besten Rahmenbedingungen schafft.

Dafür sorgt das dichte Netz an Hochschulen in unserem Land. In keinem anderen deutschen Bundesland liegen so viele so stark profilierte Universitäten so nahe beieinander wie in Hessen. Im Umkreis von einer Autostunde erreicht man mehr Universitäten als überall sonst in Europa. Es ist ein starkes Angebot für Forschung und Lehre, das wir damit den Studenten sowohl aus Hessen als auch den Gaststudenten aus der ganzen Welt machen.

Damit das so bleibt, haben wir gemeinsam mit den Hochschulen einen Hochschulpakt geschlossen, der den Hochschulen eine verlässliche Grundlage für ihre weitere Entwicklung garantiert. In diesen Zeiten ist Planungssicherheit für die Hochschulen – und das auf einem historisch hohen Niveau – ein hohes Gut!

Um es deutlich zu sagen: Noch nie wurde in Hessen so viel Geld für Hochschulen – für ihren Bau, für ihre Forschung und für ihre Lehre – ausgegeben!

Wir werden die Profilbildung der hessischen Hochschulen weiter vorantreiben. Dafür wollen wir die Vernetzung von Forschung und Anwendung vertiefen. So stellen wir die Qualität der Lehre am besten sicher. Unsere Hochschulen können dabei von der Nähe zu den zahlreichen Kompetenz-Clustern profitieren, in denen Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft erfolgreich zusammenarbeiten.

Ich will hier nur beispielhaft das „Frankfurter Innovationszentrum Biotechnologie“ für den Bereich der Biotechnologie, die Zusammenarbeit von Hochschulen und Unternehmen in Mittelhessen im Bereich der Medizintechnik und das 2008 eingeweihte Cluster „METAKUS“ zur Forschung und Entwicklung im Bereich der nordhessischen Metallindustrie nennen.

In diesen Zentren be- und entstehen zukunftsfeste Arbeitsplätze und unser Ziel muss es sein, alle Potentiale der Forschung und der Wirtschaft in Hessen zu erschließen!

III.

Die Mobilität und der Charakter unseres Landes als Transitland tragen ebenfalls in großem Maße zum Wohlstand in Hessen bei. Wir wollen, dass Hessen mobil bleibt.

Dazu werden wir die verschiedenen Verkehrsträger bedarfsgerecht ausbauen. Das gilt – trotz momentaner Sparmaßnahmen – für unsere Straßen, für die Schiene und für unsere Flughäfen in Frankfurt und in Kassel-Calden.

Insbesondere der Frankfurter Flughafen ist nicht nur die größte Betriebsstätte Deutschlands mit 70.000 Arbeitsplätzen, sondern auch zunehmend der wirtschaftliche Herzmuskel unseres Landes. Deshalb war die Ausbauentscheidung zwingend und richtig. Dabei werden wir auch künftig die Ergebnisse des Dialogprozesses im Forum Flughafen und Region (FFR) berücksichtigen.

Auch in Nordhessen werden wir den Ausbau der Verkehrswege entschlossen fortsetzen, das gilt insbesondere für die A44 und A49. In dieser Region haben Verkehrswege noch größere Bedeutung für die Schaffung von Arbeitsplätzen als in anderen Teilen des Landes.

**

IV.**

Eines der zentralen Wachstumsfelder im Bereich des Verkehrs liegt im Bereich der Elektromobilität. Diese Chancen wollen wir für Hessen nutzen.

Unsere guten Startbedingungen als eine Modellregion im Bereich der Antriebstechnik geben uns die Chance, im Verbund mit unseren Hochschulen, mit der hessischen Industrie, mit den kommunalen Stadtwerken und mit der hessischen Automobilindustrie Hessen als Standort für diese moderne und innovative Technologie auszubauen.

Um dieses Ziel sobald wie möglich zu erreichen, wird das Land in diesem Prozess eine aktive Moderatoren-Rolle einnehmen.

V.

Eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklu

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