Landesregierung stellt Zeitzeugenprogramm zum 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung vor / Bundesbeauftragter für die Unterlagen der Staatssicherheit der DDR, Roland Jahn, unterstützt aktive Geschichtsvermittlung

Die Hessische Landesregierung lässt zum 25. Jahrestag der Deutschen Wiedervereinigung Geschichte lebendig werden. Mehr als 35 Zeitzeugen haben sich bereit erklärt, mit ihren Erinnerungen an die friedliche Revolution, den Mauerfall, die Staatssicherheit und die Unterdrückung in der SED-Diktatur jungen Menschen in Hessen dieses wichtige Kapitel deutscher Geschichte näher zu bringen. „Die jetzige Schülergeneration wurde geboren als die innerdeutsche Grenze bereits nicht mehr existierte. Für sie ist das Leben in Freiheit und ohne Grenzen eine Selbstverständlichkeit. Die deutsche Teilung und das Leben in der SED-Diktatur, aber auch die friedliche Revolution und der Mauerfall sind oft nur wenigen ein Begriff“, sagte Ministerpräsident Volker Bouffier bei der Vorstellung des Zeitzeugenprogramms in der Staatskanzlei mit Kultusminister Alexander Lorz und dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit der ehemaligen DDR, Roland Jahn. Der Bundesbeauftragte machte in Wiesbaden deutlich: „Je besser wir Diktatur begreifen, umso besser können wir Demokratie gestalten.“

Einen greifbareren Zugang zur Zeitgeschichte eröffnen

Gerade Zeitzeugengespräche sind ein wertvoller Schlüssel für die Geschichts- und Demokratievermittlung. „Sie können jungen Menschen einen greifbareren Zugang zur Zeitgeschichte eröffnen und mit eigenen Erfahrungen authentisch den kostbaren Wert der Freiheit aufzeigen“, so Bouffier. Deshalb sei das Zeitzeugenprogramm Teil der Aktivitäten der Hessischen Landesregierung, die unter dem Motto „Grenzen überwinden“ wichtige Meilensteine deutscher Geschichte bis hin zum 25. Jahrestag der Deutschen Wiedervereinigung im Oktober 2015 in Frankfurt feiern. Auch im Internet und in den sozialen Netzwerken wird diese bedeutsame Zeit für den Frieden und die Freiheit in Deutschland und Europa dargestellt.

„Zeitzeugen können im Unterricht Geschichte lebensnah und wirkungsvoll zeigen“, sagte Kultusminister Alexander Lorz. „Einzelschicksale berühren mehr als das Erörtern von Schulbuchwissen“, so Lorz weiter. Er freue sich, dass sich so viele Persönlichkeiten der DDR-Opposition und aktiv Beteiligte an der friedlichen Revolution sowie dem Einigungsprozess bereiterklärt hätten, an dem Programm teilzunehmen. „Sie machen Geschichte erlebbar und ermöglichen den Schülern einen Perspektivwechsel“, so Lorz. Insgesamt sind 35 Zeitzeugen beteiligt. Schon jetzt stehen 30 Zeitzeugenveranstaltungen in allen Regionen Hessens fest, verteilt auf alle Schulformen in staatlicher wie privater Trägerschaft. Zusätzlich zu den Schulterminen werden die Zeitzeugen auch für Abendveranstaltungen anderer Organisationen vermittelt. So sind unter anderem Kooperationen mit der hessischen Landeszentrale für politische Bildung oder Institutionen der historisch-politischen Bildung wie etwa dem Verein „Gegen Vergessen Für Demokratie“, der Gedenkstätte Point Alpha oder dem Grenzmuseum Schifflersgrund vorgesehen. Das Land trägt das Honorar sowie Reisekosten für die Zeitzeugen. Die Organisation übernimmt der jeweilige Veranstalter.

Zu den Zeitzeugen

Einer der Zeitzeugen, die in Hessen Geschichte vermitteln, ist Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für die Unterlagen der Staatssicherheit der ehemaligen DDR. Er gehörte als SED-Gegner und Bürgerrechtler zur Opposition in der DDR und wurde 1983 zwangsausgebürgert. „Zeitzeugen spielen eine wichtige Rolle, sie sind die bestmöglichen Vermittler von Geschichte. Ich glaube an die Kraft des Erzählens“, sagte Roland Jahn.

Zu den Zeitzeugen, die in Hessen mit ihren Erinnerungen an ihr Leben und Arbeiten in der ehemaligen DDR erinnern, gehören außerdem im Themenbereich „Überwacht – Herrschaft und Alltag in der SED-Diktatur“ Menschen wie Stephan Krawczyk. Er trat als Liedermacher in der DDR für die Kunst- und Meinungsfreiheit ein und wurde durch die Staatssicherheit verfolgt und inhaftiert. Oder der Pfarrer Matthias Storck, der noch als Student von einem befreundeten Theologen an die Staatssicherheit verraten, 14 Monate inhaftiert und von der Bundesregierung aus der Haft freigekauft wurde.

Im Themenbereich „Flucht in die Freiheit – Das DDR-Grenzregime“ berichtet unter anderem Berthold Dücker, der 1964 mit 16 Jahren über die Grenze von Thüringen nach Hessen floh und sich nach dem Mauerfall in der Mahn- und Gedenkstätte Point Alpha für die Erinnerung an die deutsche Teilung und ihre glückliche Überwindung einsetzt. Oder Hartmut Richter, der 1966 als 18-Jähriger durch den Teltow-Kanal in den Westen schwamm und danach in den 70er Jahren auf der Transitstrecke 33 Menschen in seinem Kofferraum versteckt zur Flucht verhalf und dafür erneut zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde. 1980 wurde er freigekauft und kam in den Westen.

Insbesondere die Ereignisse der friedlichen Revolution 1989 und der Weg zur Einheit 1990 sollen den Jugendlichen nahe gebracht werden. Hier berichten u.a. Zeitzeugen wie Pfarrer Christoph Wonneberger, der die Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche mitorganisiert hat, die Ausgangspunkt für die Montagsdemonstrationen waren. Oder die Bürgerrechtlerin und spätere Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, Marianne Birthler, die in den 80er Jahren in der Initiative Frieden und Menschenrechte aktiv und in der letzten DDR-Volkskammer von März bis Oktober 1990 Sprecherin von Bündnis 90 war. Oder Ehrhart Neubert, der 1989 zu den Gründern des Demokratischen Aufbruches gehörte und stellvertretender Vorsitzender der neuen Partei wurde. Er zählt zu den führenden Historikern zur Oppositionsbewegung in der DDR.

Schließlich haben sich auch weitere aktive Politiker des Einigungsprozesses, wie u.a. Lothar de Maizière, Markus Meckel, Rainer Eppelmann und Bernhard Vogel bereit erklärt, von ihrem damaligen Engagement und ihren Eindrücken zu berichten.

Kontakt

Schulen und Organisationen, die sich für das Zeitzeugenprogramm des Landesregierung interessieren, können sich wenden an:

Hessische Staatskanzlei

Abt. Protokoll & Veranstaltungen

Dr. Alexander Jehn

Georg-August-Zinn-Straße 1

65183 Wiesbaden

Telefon: 0611 / 32 3856

Fax: 0611 / 32 3812

E-Mail: alexander.jehn@stk.hessen.de

Foto: Hessische Staatskanzlei

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