Vorbilder gelungener Integrationsarbeit haben heute in Wiesbaden im Mittelpunkt des fünften hessischen Asylkonvents gestanden. Der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier und Wohnungsbauministerin Priska Hinz lobten die Best-Practice-Beispiele der Fachgruppen Sicherheit, Bildung und Arbeitsmarkt zur Integration von Flüchtlingen. „Wir sehen, dass die Maßnahmen der Landesregierung, der Wirtschaft und anderer gesellschaftlicher Institutionen funktionieren. Insbesondere dann, wenn sie auf fleißige und willige Menschen stoßen“, sagten Ministerpräsident Bouffier und Ministerin Hinz. Die Fachgruppen-Vorsitzenden hatten im Konvent Menschen vorgestellt, die geglückte Integration verkörpern.

Kriminaloberkommissar Mohammad Reza Rezai Hagh vom Hessischen Landeskriminalamt ist 1988 im Alter von elf Jahren mit Mutter und Schwester aus dem Iran geflohen. Er kennt das Erstaufnahmezentrum in Gießen, die Sprachprobleme und die Ängste der Neuankömmlinge aus eigener Erfahrung. Heute fungiert er als Vorbild, ermutigt Flüchtlinge, Deutsch zu lernen und Bildungsangebote anzunehmen. In zahlreichen Informationsveranstaltungen des Hessischen Informations- und Kompetenzzentrums gegen Extremismus (HKE) sensibilisierte Mohammad Reza Rezai Hagh in den Erstaufnahmeeinrichtungen Flüchtlinge in ihrer Muttersprache gegen mögliche Anwerbeversuche von Islamisten und informierte sie über ihre Rechte und Pflichten in der Bundesrepublik. Gleichzeitig baute der Mann in Uniform Vertrauen auf. „Die Flüchtlinge haben die Polizei in ihren Heimatländern oft als Teil eines repressiven Herrschaftssystems kennengelernt. Deshalb ist es wichtig, die Rolle der Polizei in Deutschland als ‚Freund und Helfer‘ zu verdeutlichen“, sagte der Leiter der Fachgruppe, Landespolizeipräsident Udo Münch.

Wie schnell junge Menschen mit der entsprechenden Förderung Deutsch lernen, zeigt das Beispiel der aus Syrien geflüchteten 16-jährigen Joele Alkhlaf, die seit rund 15 Monaten die Adolf-Reichwein-Schule in Pohlheim besucht und sich auf den Realschulabschluss vorbereitet. Sie wechselte schnell von der Deutsch-Intensivklasse für Anfänger zu den Fortgeschrittenen, wurde zunächst in Mathematik, Deutsch, Englisch und Gesellschaftslehre in die Regelklasse teilintegriert und besucht seit diesem Schuljahr vollständig die Regelklasse. Darüber hinaus erhält sie Deutsch-Förderunterricht. „Joele kann bereits nach einem Jahr in einer Intensivklasse dem normalen Unterricht sprachlich sehr gut folgen, ist hochmotiviert und leistungsfähig. Sie ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel für eine gelungene schulische Integration“, sagte Dr. Manuel Lösel, Leiter der Fachgruppe Bildung. 

Fachgruppe Arbeitsmarkt

Auch die Integration der Flüchtlinge mit Bleibeperspektive in die Ausbildungs- und Arbeitswelt kann schnell gelingen. Der 32-jährige Abdulrazak Ouso und der 22-jährige Hagop Arzomanian gehören zu 19 Flüchtlingen, die bei der Samson AG in Frankfurt einen Ausbildungs- oder Fördervertrag erhalten haben. Die beiden Syrer, die seit dem vergangenen Jahr in Deutschland leben, lernen Mechatronik und besuchen die Berufsschule. „Wir legen heute die Basis für ein menschliches und wirtschaftlich starkes Hessen, das alle Potentiale, auch die der Geflüchteten, in den Blick nimmt. Durch Hospitationen, Praktika und Einstellungen in Ausbildung und Arbeit leistet die hessische Wirtschaft ihren Beitrag zur Integration“, sagte der Präsident des Hessischen Handwerkstags, Bernd Ehinger, der die Fachgruppe Arbeitsmarkt leitet.

„Dass wir die Flüchtlingssituation bisher so gut gemeistert haben, ist nicht zuletzt auch ein Verdienst der klugen und perspektivischen Vorschläge aus dem Asylkonvent und seiner Fachgruppen. Das Beispiel von Mohammad Reza Rezai Hagh zeigt, dass Integration funktioniert. Joele Alkhlaf, Abdulrazak Ouso und Hagop Arzomanian sind hoch motiviert und wollen ein Teil unserer Gesellschaft werden. Wir müssen diese Menschen mit aller Kraft und Willensstärke bei ihren Anstrengungen unterstützen“, sagte der Ministerpräsident. Auch wenn Hessen die Flüchtlingssituation bisher sehr gut bewältigt habe und die Zugangszahlen deutlich zurückgegangen seien, sei die Arbeit keinesfalls erledigt. „Sie hat gerade erst begonnen. Wir wissen, dass wir einen langen und bisweilen auch beschwerlichen Weg bei der Integration gehen werden. Diese Menschen zeigen uns aber, dass sich der Weg am Ende für unsere Gesellschaft lohnen wird.“

Der Fokus der Integrationsbemühungen liegt auf der Vermittlung von Grundwerten und der Ordnung im Rechtsstaat, der Förderung des Spracherwerbs, der Unterstützung bei der Schul- und Berufsausbildung sowie der Hilfe beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Ein wesentlicher Aspekt ist auch die Unterbringung der Menschen. 

„Jeder Mensch in Hessen soll ein richtiges und bezahlbares Dach über dem Kopf haben“, sagte Wohnungsbauministerin Priska Hinz. Allerdings sei der Wohnungsmarkt in Teilen Hessens sehr angespannt. Gerade Kommunen im Ballungsraum Rhein-Main und in den größeren Hochschulstädten stelle dies vor enorme Herausforderungen. „Darum haben wir im vergangenen Jahr über das Kommunalinvestitionsprogramm (KIP) im Programmteil Wohnen zusätzlich 230 Millionen zur Verfügung gestellt. Zusätzlich haben wir festgelegt, dass Flüchtlinge schon vor Abschluss des Anerkennungsverfahrens berechtigt sind, in diese Wohnungen einzuziehen“, erläuterte Priska Hinz.

Bis Ende Oktober waren über das KIP (Programmteil Wohnen) bereits 1.258 Wohnungen für etwa 3.700 Menschen angemeldet. Nach Anerkennung sind die Flüchtlinge außerdem berechtigt, in eine Sozialwohnung zu ziehen. „Insgesamt haben wir die Mittel für den sozialen Wohnungsbau kräftig aufgestockt. Bis 2019 haben wir 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Davon profitieren Geringverdiener, Familien, Menschen mit mittleren Einkommen, Flüchtlinge und Studierende gleichermaßen. Wir möchten keine Segregation durch reine ‚Flüchtlingswohnungen‘, sondern eine Integration in den sozialen Wohnungsbau“, betonte Ministerin Hinz.

Fachgruppe Wohnen

„Es war uns daher wichtig, die Fachgruppe Wohnen aus dem Asylkonvent in die 2015 ins Leben gerufene ,Allianz für Wohnen‘ zu integrieren. Hier diskutieren Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen, der Wohnungsbauunternehmen, Architekten und Verbände der Wohnungswirtschaft verschiedene Lösungen für eine Entspannung des Wohnungsmarkts. Mit der ,Servicestelle Wohnungsbau in Hessen‘ zum Beispiel konnte ein Beschluss der Allianz innerhalb kurzer Zeit umgesetzt werden: Seit 1. Oktober können sich Kommunen und Wohnungsbauunternehmen bei Fragen rund um den Wohnungsbau in Hessen an die Servicestelle wenden.“

Fachgruppe Bildung

Ein Ziel der Fachgruppe Bildung ist, die Vielfalt aller Sprachfördermaßnahmen besser zu verzahnen. „Wir haben uns intensiv um die Vernetzung diverser Kooperationspartner bemüht. Im Fokus der Arbeit der Fachgruppe stand in den vergangenen Wochen außerdem das Zusammenstellen von Informationsmaterial, sowohl für die Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache als auch für die an Schulen ehrenamtlich Engagierten. Der Fachtag ,Deutsch als Zweitsprache‘ wurde für ehrenamtlich Tätige geöffnet, da er vorher nur für Lehrerinnen und Lehrer angeboten wurde. Er verzeichnete im September einen hohen Zulauf“, sagte Staatssekretär Dr. Lösel.

Weil die Sprachförderung die Grundvoraussetzung für den schulischen Erfolg und damit von herausragender Bedeutung ist, hat das Land bestehende Sprachförderprogramme optimiert, neue aufgelegt und damit das bestehende schulische Gesamtsprachförderkonzept erweitert. Insgesamt gibt es in Hessen aktuell circa 26.000 sogenannte Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger, die eine Sprachförderung erhalten. Davon werden rund 17.000 in knapp 1.300 Intensivklassen unterrichtet. 2.070 Stellen setzt die Landesregierung insgesamt für die Sprachförderung an allen hessischen Schulen ein.

Integration in die Ausbildungs- und Arbeitswelt

Ein weiterer Schritt ist die Integration der Flüchtlinge mit Bleibeperspektive in die Ausbildungs- und Arbeitswelt, gemeinsam mit parallelem Spracherwerb. Hessen hat als wesentliches Element der Förderung das landesweite Programm  „Wirtschaft integriert“ mit elf Millionen Euro Landesmitteln ausgestattet. Aus dieser zentralen Initiative ist ein bedeutendes Gemeinschaftsprojekt entstanden. Als Kooperationspartner sind die Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit, der Hessische Handwerkstag, die Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Industrie- und Handelskammern und das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft beteiligt. „Wirtschaft integriert“ wendet sich an junge Frauen und Männer unter 27 Jahren mit erhöhtem Sprachförderbedarf und baut eine nahtlose Förderkette bis zum Berufsabschluss auf. Seit dem Start im April 2016 verzeichnet das Programm mehr als 650 Teilnehmer an 20 Standorten, von denen bereits knapp 90 in Einstiegsqualifizierungen oder in eine Ausbildung vermittelt worden sind.

Fachgruppe Sicherheit

Sicherheit durch umfangreiche Aufklärung, gesamtgesellschaftliche Prävention und nachhaltige Integration ist das Leitthema der Fachgruppe Sicherheit. Eine bedeutende Rolle spielen dabei die Informationsveranstaltungen des Hessischen Informations- und Kompetenzzentrums gegen Extremismus (HKE) in den Erstaufnahmeeinrichtungen in afghanischer, persischer und arabischer Sprache. Außer Polizisten nahmen Mitarbeiter des Violence Prevention Networks (VPN) sowie Migrationsbeauftragte der Polizei und Partner aus dem Bereich der politischen Bildung an den jeweils rund einstündigen Veranstaltungen teil. Mehr als 4.000 Menschen sind mit diesem bundesweit einzigartigen Konzept erreicht worden.

Hessen war das erste Bundesland, das im Sommer 2014 ein spezielles Präventionsnetzwerk gegen Salafismus gegründet hat. 2016 sind die Mittel für dieses Landesprogramm auf 1,2 Millionen Euro erhöht worden. Familienangehörige, Lehrer, Schulfreunde und andere, die islamistische Radikalisierungen beobachten, können sich an das Präventionsnetzwerk in Trägerschaft von VPN wenden. Darüber hinaus sind Multiplikatoren geschult worden, um Gefahren des Islamismus und das Auftreten von Anwerbern zu erkennen.

Über das in Deutschland geltende Recht werden Flüchtlinge außerdem in Rechtsstaatsklassen informiert. Das Programm „Fit für den Rechtsstatt – Fit für Hessen!“ wird mittlerweile an mehr als 40 Standorten angeboten. Landesweit beteiligen sich 78 Justizbehörden und weit mehr als 300 Personen, darunter Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, die sich freiwillig als Dozenten gemeldet haben. Auch die Zahl der teilnehmenden Kommunen und Einrichtungen nimmt stetig zu. Bis Ende Oktober haben bereits rund 6.000 Flüchtlinge freiwillig an diesem Programm teilgenommen. Aufgrund der positiven Erfahrungen beabsichtigt die Landesregierung, das Projekt auch im kommenden Jahr anzubieten. Im Haushaltsentwurf 2017 sind dafür 200.000 Euro vorgesehen.

Hintergrund

Der Asylkonvent hat sich am 14. Oktober 2015 konstituiert. Ihm gehören mehr als 50 Spitzenvertreter aus den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen an. In insgesamt sieben Fachgruppen erarbeiten die Beteiligten Maßnahmen für die zentralen Themenfelder Bildung, Arbeitsmarkt, Sicherheit, Wohnen, Gesundheit, Ehrenamt und Integration. Die Facharbeitsgruppen ziehen bei Bedarf weitere Experten und Engagierte hinzu und erhalten fachliche Unterstützung durch Mitarbeiter des Landes.

Die Leiterinnen und Leiter der einzelnen Fachgruppen

Einen neuen Fachgruppenleiter gibt es im Bereich Integration. Jo Dreiseitel, Staatssekretär und Bevollmächtigter für Integration und Antidiskriminierung im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration, ersetzt den früheren Diakonie-Vorstandsvorsitzenden Dr. Wolfgang Gern. Die Fachgruppe Wohnen ist in die „Allianz für Wohnen“ überführt worden. Als Bindeglied zwischen dem Asylkonvent und der Allianz für Wohnen fungiert Dr. Axel Tausendpfund, der neue Direktor des Verbands der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft. Er übernimmt das Amt von seinem Vorgänger Uwe Menges.

  • Wirtschaft: Präsident des Hessischen Handwerkstags, Bernd Ehinger

  • Gesundheit: Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, Frank Dastych
  • Bildung: Staatssekretär im Hessischen Kultusministerium, Dr. Manuel Lösel
  • Sicherheit: Landespolizeipräsident, Udo Münch
  • Ehrenamt: LandesEhrenamtsagentur Hessen, Stefan Würz
  • Integration: Staatssekretär und Bevollmächtigter für Integration und Antidiskriminierung im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration, Jo Dreiseitel
  • Allianz für Wohnen: Bindeglied zwischen Asylkonvent und Allianz für Wohnen ist der Direktor des Verbands der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft e.V., Dr. Axel Tausendpfund

    Folgende Institutionen sind beteiligt: 

    Kommunale Spitzenverbände, Regierungspräsidien, Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände, Religionsgemeinschaften, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Flüchtlingsrat, Ärztekammer, Bundeswehr, Bundesanstalt für Arbeit, Liga der freien Wohlfahrtspflege, Ausländerbeirat, Flüchtlingsrat, Vertreter unbegleiteter Flüchtlinge, Rettungsorganisationen, Technisches Hilfswerk, Feuerwehrverband, Landespolizeipräsidium, Landesehrenamtsagentur, Sportbund Hessen, Vertriebenenvertreter, Wohnungswirtschaft, u.v.m.

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