Der CDU-Landesvorsitzende, Ministerpräsident Volker Bouffier, und sein jüngster Sohn Volker tragen nicht nur den gleichen Vornamen, sondern haben auch sonst zahlreiche Gemeinsamkeiten. Welt Online hat mit beiden über Politik und Familie gesprochen. Lesen Sie hier das Interview.

**Welt Online: **Herr Bouffier, Sie wurden im ersten Anlauf ins Gießener Stadtparlament gewählt. Das Beispiel Ihres Vaters vom Leben als Politiker war wohl nicht abschreckend genug…

**Volker Bouffier junior: **Nein, das ist überhaupt nicht abschreckend. Ob ich Politik aber irgendwann hauptberuflich mache wie er, weiß ich noch nicht. Natürlich hat die Politik auch Schattenseiten. Aber das Interesse überwiegt. Das ist normal in unserer Familie. Meine Mutter war bis vor kurzem Stadtverordnete in Gießen, meine Tante, also die Schwester meines Vaters, ist Stadträtin im Magistrat.

**Volker Bouffier senior: **Und sein Uropa hat die CDU in Gießen mitgegründet, sein Großvater war CDU-Kommunalpolitiker…

**Welt Online: **Ein richtiger Polit-Clan also. War da die freie „Vereinswahl“ eine Option?

**Volker Bouffier junior: **Es gab keinen Druck. Ich bin mit 15 in die Junge Union eingetreten, vor der Landtagswahl 2008. Ich habe das nicht mal besprochen mit meinen Eltern, sondern einfach gemacht. Zusammen mit meinem Bruder, der zwei Jahre älter ist. Und auch Jura studiert.

**Volker Bouffier senior: **Eines will ich anmerken: Meine politische Sozialisation fand in der Opposition statt. Hessen war früher SPD-Stammland, die CDU kam erst 1987 für vier Jahre an die Regierung und dann wieder ab 1999 mit Roland Koch. Wir waren nie in einer Situation, in der ein Vater dem Sohn das warme Bett bereitet hätte, und der dann der nächsten Generation. Es gab keine Verheißungen, sondern nur Kernerarbeit und auch immer mal zerstochene Reifen oder fliegende Eier. Mit dieser Erfahrung im Rücken wird man nicht übermütig.

**Welt Online: **Sie brachten es in der linken Hochburg Gießen während der 68er-Zeit aber bis zum Schulsprecher. Wie das?

**Volker Bouffier junior: **Die haben mich nicht gewählt wegen meiner politischen Überzeugung. Mich kannten einfach viele, weil ich in jeder Schulmannschaft war, die es gab. Damals habe ich noch von einer Karriere als Basketballprofi geträumt. Nach einem Unfall blieb das aber auch ein Traum.

**Welt Online: **Manche Politikerkinder proben die Rebellion, wie Hessens CDU-Innenminister Boris Rhein. Sein Vater war linker Sozialdemokrat. Walter Kohl blieb der Politik fern. Solche Distanzierungsversuche sind Ihnen fremd?

**Volker Bouffier junior: **Ich habe bei unseren Gesprächen über Politik relativ früh gemerkt, dass sich unsere Meinungen ziemlich weit überschneiden. Für mich war die Richtung eindeutig.

**Welt Online: **Was, wenn Ihr Sohn dennoch bei den Jusos gelandet wäre?

**Volker Bouffier senior: **Ich würde mich natürlich fragen, wieso. Ich hätte es auch verstanden, wenn meine Jungs gesagt hätten: Nein danke, nicht mit mir, dieses Politikerdasein ist nichts für mich. Aber eine andere politische Überzeugung wäre mir immer noch lieber als gar keine. Wir brauchen Menschen, die etwas zu tun und nicht nur darauf warten, dass die anderen handeln.

**Welt Online: **Waren Sie überhaupt darauf eingestellt, tatsächlich gewählt zu werden?

**Volker Bouffier junior: **Damit gerechnet habe ich nicht. Ich stand auf Listenplatz 48 und bin dann auf Platz fünf gerutscht. Aber ich bin wirklich froh, dass es so gekommen ist. Man kann im Stadtparlament eine Menge lernen.

**Welt Online: **Die SPD kritisiert, Wähler hätten den „Volker Bouffier“ auf dem Zettel für den Ministerpräsidenten gehalten.

**Volker Bouffier senior: **Das Stadtparlament hat vor der Wahl diskutiert, ob die Bewerberlisten auch über Beruf oder Alter informieren sollen, und es hat sich dagegen entschieden. Um sich dann zu beschweren, der Bürger sei nicht orientiert gewesen. Das ist der hilflose Versuch, einen Erfolg umzudeuten. In meiner Heimatstadt kennt jeder die Verhältnisse, der sich für Politik interessiert.

**Welt Online: **Können junge Menschen mit dem Attribut „konservativ“ etwas anfangen?

**Volker Bouffier junior: **Ich auf jeden Fall. Vor allem die Werte, die damit verbunden sind, finde ich wirklich wichtig. Die muss man beibehalten und durch Politik stärken. Tradition beispielsweise, oder Ehre und Familie. Die aktuelle Regierung tut dafür nicht mehr genug. Die Union sollte ihr eigenes Profil wieder schärfen.

**Welt Online: **Wieso heißt der jüngste Sohn wie der Vater, nicht der ältere Bruder?

**Volker Bouffier senior: **Den ersten nannten wir Frederik, das wollten meine Frau und ich so. Die Oma, meine Mutter also, hat beim zweiten dann ein bisschen gedrängt, ihm meinen Namen zu geben. Das ist Familientradition. Mein Vater Robert trug auch denselben Namen wie sein Vater.

**Welt Online: **Wie ist es eigentlich, so zu heißen wie der Vater?

**Volker Bouffier junior: **Naja, es ist nicht gerade der aktuellste Name. Aber er ist ganz in Ordnung.

**Welt Online: **Aber werden Sie und die Familie nicht manchmal in Sippenhaft genommen? Ihr Vater galt als hartgesottener CDU-Innenminister, als „schwarzer Sheriff“.

**Volker Bouffier junior: **Ab und zu kommt mal ein dummer Spruch, aber nie etwas, das ich ernst nehmen würde.

**Volker Bouffier senior: **Die Familie zahlt immer einen Preis für ein öffentliches Amt. Meine Kinder stehen permanent unter Beobachtung. Man kennt sie und bewertet ihr Verhalten kritischer, vor allem, wenn meine Frau und ich nicht dabei sind. Auch die Schule musste sich auf die Lage einstellen. Aber wir haben es glaube ich hinbekommen, ziemlich normal zu leben.

**Welt Online: **Was heißt „normal“ für Sie?

Volker Bouffier junior: Er ist relativ oft weg, aber ich kenne das nicht anders. Ich war sechs, als er Innenminister wurde. Aber wenn er Zeit hat, bemüht er sich schon. Manchmal spielen wir abends noch eine Runde Fußball auf der Playstation.

**Volker Bouffier senior: **Ich verliere immer. Bei meinen Kindern versuche ich, einigermaßen auf dem Laufenden zu bleiben über Freunde oder Freundin, Schule, Hobbys. Ich bin extra nicht in die Dienstvilla in Wiesbaden gezogen. Auch spät fahre ich immer nach Gießen zurück, damit man sich wenigstens kurz spricht. Wir haben auch immer viel Sport zusammen gemacht. Und beide Jungs finden es immerhin noch spannend, mit meiner Frau und mir Urlaub zu machen. Das ist doch was. Wir sind wie seit Jahren auf Ibiza.

**Welt Online: **Häufig wird eine große Distanz zwischen Jugend und Politik beklagt. Wie lässt sich diese Kluft schließen?

**Volker Bouffier junior: **Ich bin gar nicht so sicher, dass die so groß ist. In meinem Schuljahrgang hatten ziemlich viele Leute Interesse an Politik. Aber die Laberei, die quer über die Parteiengrenzen hinweg betrieben wird, kann schon nerven. Oft wird ein Thema nicht richtig und konstruktiv angepackt, sondern es wird ellenlang drum herum geredet, vielleicht aus Angst, dass der eigene Kopf rollt. Da muss sich die Politik noch verbessern.

Volker Bouffier senior: Wir sollten auch aufpassen, uns nicht kindisch zu machen. Wer versucht, sich im Jugendjargon an junge Leute zu wenden, tut sich keinen Gefallen, und denen auch nicht. Der ist nur unglaubwürdig.

**Welt Online: **Wie erreicht man junge Leute am besten? Über Facebook?

**Volker Bouffier junior: **Das allein reicht nicht. Kommunalpolitiker könnten zum Beispiel mehr in Klassen gehen und den Schülern erklären, dass sie unmittelbar betroffen sind. Oder sie einladen zu Sitzungen, um ihnen zu zeigen, dass sie nicht vergessen werden.

Volker Bouffier senior: Ich glaube auch nicht, dass Jugendliche heute grundsätzlich unpolitischer sind. Aber wir leben nun einmal in einer postmateriellen Wohlstandsgesellschaft, in der viele der großen Fragen gelöst sind. In den Achtundsechzigern gab es sehr grundsätzliche Auseinandersetzungen, das war womöglich spannender als das Heutige, das sich doch oft in Kleinklein widerspiegelt.

**Welt Online: **Hilft mehr Bürgerbeteiligung aus der Politikverdrossenheit?

**Volker Bouffier junior: **Debatten wie um Stuttgart 21 schüren einerseits das Interesse an der Politik. Das finde ich gut. Andererseits ist das Parlament gewählt. Dann muss es auch die Macht haben, solche Projekte durchzusetzen.

Volker Bouffier senior: Ich habe da eine klare Haltung: Die Menschen bekommen eine Entwicklung vorgegaukelt, die keinen glücklich macht. und letztendlich auch zu keinen Entscheidungen führt. Es klingt nach geradezu kindischer Betroffenheitslyrik zu behaupten, alle könnten künftig irgendwie beteiligt sein an allem, und damit würden sich dann verkrustete Strukturen umwandeln in lichtvolle, geradezu idealtypische demokratische Verhältnisse. Auf so etwas kann nur jemand kommen, der noch nie im Leben einen Konflikt lösen musste.

**Welt Online: **Sagen Sie Ihrem Vater auch mal, wenn Sie ihn im Fernsehen sahen und etwas ganz unmöglich fanden?

**Volker Bouffier junior: **Ähm…

**Volker Bouffier senior: **Sag’s ruhig. Ja, das tut er. Das geht schon los mit dem Aussehen.

**Welt Online: **Aber Ihr blonder Mittelscheitel war doch über Jahre unverändert.

**Volker Bouffier senior: **Eben. Und hier sitzt einer der Gründe, warum sich daran etwas geändert hat. Es lässt sich in dem Satz zusammenfassen: Papa, so sieht heute keiner mehr aus.

Volker Bouffier junior: Da hat die ganze Familie Druck gemacht, vor allem meine Mutter. Und irgendwann hat er sich dann gebeugt. Aber ansonsten macht er seine Sache in der Regel ja ganz ordentlich.

Die Fragen stellte Hannelore Crolly.

Foto: Familie Bouffier vor ihrem Haus in Gießen (links außen Volker Bouffier junior, mittig Volker Bouffier senior)

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