In einem Redaktionsgespräch mit der Frankfurter Neuen Presse verrät der CDU-Landesvorsitzende und Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier wie er die Lage seines Kabinetts bewertet und mit welchen Themen er die Landtagswahl 2013 gewinnen will.

**Frankfurter Neue Presse: **Herr Ministerpräsident, wie wollen Sie es schaffen, nach den Querelen der vergangenen Monate das Vertrauen breiter Wählerschichten zu gewinnen?

Volker Bouffier: Querelen wurden uns von außen unterstellt. Jeder, der uns näher kennt, weiß, dass es keine gab. Ich gehe fest davon aus, dass wir auch nach der nächsten Landtagswahl stärkste Partei sein werden – und zwar mit Abstand. Wir wollen den Menschen einen Vertrag anbieten, der im Wesentlichen darauf beruht, dass wir für die Zukunft gerüstet und handlungsfähig sind. Hier spielt die Schuldenbremse in der Verfassung eine entscheidende Rolle. Wir werden aber auch Spielräume schaffen für die Themen, die uns wichtig sind: Die Chance auf eine gute Bildung, die Energiewende, innere Sicherheit und den Ausbau der Infrastruktur.

Frankfurter Neue Presse: An welchen Stellen wollen Sie sparen?

Volker Bouffier: Wir brauchen dringend eine Reform des Länderfinanzausgleichs, damit sich Leistung in Hessen wieder lohnt. Nach dem bisherigen System profitieren andere Länder mehr von unserer hohen Wirtschaftskraft als wir selbst und bieten zum Beispiel kostenlose Kindergartenplätze an. Das würden wir auch gerne, können es aber nicht. Diese Ungerechtigkeit muss beseitigt werden. Aber wir werden auch nicht umhin kommen, beispielsweise in der Verwaltung mit weniger Personal auszukommen.

Frankfurter Neue Presse: **Frankfurter Neue Presse: **Wie wollen Sie die Bildungschancen verbessern?

Volker Bouffier: Zunächst möchte ich betonen, dass es in Hessen noch nie so viele Lehrer und so viel Unterricht gab wie jetzt, und das bei sinkenden Schülerzahlen. Das ist unser Verdienst. Wir wollen die Schulvielfalt erhalten, denn wir bauen unsere politische Grundagenda auf dem christlichen Menschenbild. Das bedeutet: Jeder ist einzigartig. Wir müssen die Menschen nehmen, wie sie sind, und nicht, wie sie sein sollen. Deshalb müssen wir ein breites Angebot machen. Das ist die Absage an eine Einheitsschule. Und auch in der Wissenschaft haben wir Netzwerke unter einem Dach geschaffen, die einzigartig und zukunftsweisend sind, zum Beispiel das House of Finance und das House of Logistics and Mobility. Das sind Zukunftsinvestitionen.

Frankfurter Neue Presse: Wenn an Hessens Schulen aus Ihrer Sicht alles gut läuft, warum brauchen wir dann eine neue Kultusministerin?

**Volker Bouffier: **Um hier keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Frau Henzler ist eine erfolgreiche Kultusministerin. Wenn die FDP als Partei allerdings beschließt, dass sie ihren neuen Ministern rechtzeitig vor der nächsten Wahl die Chance geben möchte, sich einzuarbeiten, dann ist das legitim. Ich verstehe es andererseits auch, wenn jemand im Amt bleiben will, aber er braucht das Vertrauen seiner Partei dazu. In sofern ist der Vorgang nicht sonderlich dramatisch, für Hessen aber vielleicht ungewöhnlich.

**Frankfurter Neue Presse: **Wollen Sie damit sagen, dass in der Regierungsumbildung gar nicht viel Bouffier drinsteckt? Man hat den Eindruck, dass Jörg-Uwe Hahn zwei Spieler ausgewechselt hat und Sie haben zugeschaut.

Volker Bouffier: In diese Regierung wird niemand berufen und auch niemand abberufen ohne meine vorherige ausdrückliche Zustimmung.

Frankfurter Neue Presse:  Welche besonderen Qualitäten haben denn die beiden Nachfolger auf den neuen Ministerposten?

**Volker Bouffier: **Beide sind kompetent und erfahren. Der zukünftige Wirtschaftsminister Florian Rentsch ist Vorsitzender der größten FDP-Fraktion, die es je im hessischen Landtag gab, und hat auch auf nationaler Ebene eine Bedeutung. Nicola Beer ist Europastaatssekretärin, war parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Fraktion und eine hoch engagierte Abgeordnete. Und Nicola Beer hat ganz nebenbei zwei Kinder in der Schule und weiß, wie es in der Praxis aussieht. Deshalb ist meine feste Überzeugung, dass beide einen sehr guten Job machen werden.

**Frankfurter Neue Presse: **Es gab hartnäckige Gerüchte, dass auch die CDU den Plan hatte, Minister auszuwechseln, zum Beispiel Boris Rhein. Warum kam es nicht dazu?

Volker Bouffier: Wir sind davon ausgegangen, dass wir eine Neubesetzung im Innenministerium machen müssen, weil wir damit gerechnet haben, dass Boris Rhein Frankfurter Oberbürgermeister wird. Insofern ist spätestens nach der Nominierung eine Debatte über seine Nachfolge entbrannt. Dass es der Wähler nun anders gerichtet hat, ist zu akzeptieren. Das freut uns nicht. Ist aber so. Dass sich danach jemand Gedanken darüber macht, wie er weitermacht, halte ich für normal. Es wäre ja absurd, sich einfach nur zu schütteln. Aber eines ist klar: Wir haben entschieden, wie wir entschieden haben, und dabei bleibt‘s. Diskussionen gibt es immer, aber das Ergebnis zählt.

Frankfurter Neue Presse:   Es wäre ja denkbar, dass Sie nach der nächsten Landtagswahl einen neuen Koalitionspartner brauchen. Wie stehen Sie zum Erfolg der Piraten?

Volker Bouffier: Als neue Bewegung können Sie anders agieren als eine Partei, die in Regierungsverantwortung ist. Sie könnten beispielsweise mit den Piraten zum heutigen Zeitpunkt in keine Haushaltsberatungen eintreten. Mit der Antwort: "Dazu habe ich keine Meinung" können Sie keine ernsthaften Verhandlungen führen. Da muss ich Sachkunde und eine Position haben. Und ich muss den Mut haben zu entscheiden.

Frankfurter Neue Presse: Was können Sie von den Piraten lernen?

**Volker Bouffier: **Man muss eine Bewegung immer ernst nehmen, die so viele Menschen erreicht. Interessant finde ich vor allen Dingen, wie die Piraten über den Begriff Transparenz Anhänger binden und wie sie mit diesem Begriff umgehen.

Frankfurter Neue Presse:  Was macht die CDU besser?

Volker Bouffier: Unsere Aufgabe muss es sein, den Menschen zu sagen, was wir tun müssen, um in Hessen wirtschaftlich so erfolgreich zu bleiben. Wenn es schlecht läuft, ist das Erste, was allen einfällt: Die Politik muss ran: Runder Tisch, Land muss helfen etc. Wenn es aber gut läuft, wie zum Beispiel in der hessischen Wirtschaft, dann muss man gelegentlich darauf hinweisen, dass das etwas mit uns zu tun hat, nämlich mit erfolgreichen Rahmenbedingungen. Da möchte ich auch den Ausbau des Frankfurter Flughafens nennen.

**Frankfurter Neue Presse: **Gerade dieses Thema hat Ihre Regierung in eine Glaubwürdigkeitskrise gestürzt. Die wankelmütige Haltung zum Nachtflugverbot stößt bei den meisten Menschen auf Unverständnis. War das ein politischer Fehler?

Volker Bouffier: Die Entscheidung für den Ausbau war die wichtigste überhaupt für den Wohlstand unseres Landes und unserer Bürger. Und die Landesregierung hat bei der wichtigsten Entscheidung der Leipziger Richter, die Rechtmäßigkeit des Ausbaus zu bestätigen, Recht bekommen. Die emotional am stärksten wahrnehmbare Entscheidung war das Nachtflugverbot. Wir hatten damals 17 Ausnahmen genehmigt, weil die Rechtslage das geboten hatte. Nun setzen wir null Nachtflüge um und damit ist auch das Mediationsergebnis in allen Punkten verwirklicht. Wir haben jetzt Rechtssicherheit, und deshalb wäre es falsch gewesen, die Revision zurückzunehmen. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir 330 Millionen Euro für passiven Lärmschutz einsetzen. Das ist europaweit einmalig. So wollen wir die Menschen in einem erträglichen Maß halten.

Frankfurter Neue Presse: Es gibt juristische Bedenken gegen eine einfache Planklarstellung zum Nachtflugverbot. Ein Rechtsgutachten im Auftrag der Grünen hat ergeben, dass es ein Planergänzungsverfahren geben muss. Muss man nicht wenigstens die Urteilsbegründung abwarten?

Volker Bouffier: Rot und Grün haben Angst, ein Thema zu verlieren. Sie haben uns die ganze Zeit unterstellt, wir wollten nicht null Nachtflüge. Jetzt machen wir null, und die sagen: "So geht das nicht. Wir brauchen ein Planergänzungsverfahren". Wir setzen das Urteil eins zu eins um, denn der Tenor ist eindeutig. Wer geplante Nachtflüge haben will, mag klagen.

Frankfurter Neue Presse: Die Rechtfertigung für den Ausbau war immer das Versprechen von 100 000 neuen Jobs. Jetzt hat die Lufthansa entschieden, 3500 Stellen zu streichen. Wie passt das zusammen?

Volker Bouffier: Die 100 000 sind eine langfristige Perspektive. Die Lufthansa reagiert jetzt kurzfristig auf das Marktumfeld. Wir betrachten das mit großer Sorgfalt.

**Frankfurter Neue Presse: **Sie sind ja auch stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender. Mit welchen Themen kann denn die CDU insgesamt noch punkten? Sie sind jetzt gegen Atomenergie und für einen Mindestlohn. Dient das Betreuungsgeld als letzter Anker, um konservative Wähler bei der Stange zu halten, die wenigstens das traditionelle Familienmodell aufrechterhalten wollen?

Volker Bouffier: Die Union ist in Deutschland und in Europa die absolut stärkste Partei. Ich glaube aber, dass wir noch stärker werden müssen. Die Energiewende ist ein ganz wichtiges Thema. Ich halte auch das Betreuungsgeld für richtig. Wir wollen die Wahlfreiheit für Familien. Ich halte es für nicht richtig, die Position zu vertreten, dass Kinder ausschließlich dann eine gute Zukunft haben, wenn sie in eine Kita gehen. Es gibt auch Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen wollen und auch sehr gut erziehen. Mein Vorschlag ist es deshalb, eine Art Elterngeld II einzuführen, das, nach meiner Auffassung, den Eltern eine ausreichende Wahlfreiheit bietet. Und wenn mir jemand erzählt, wenn ich Menschen Bargeld gebe, wird es nur sinnlos verjubelt, der hat mit dieser Welt vergleichsweise wenig zu tun. Die Gegner des Betreuungsgeldes führen stets ins Feld, dass sogenannte bildungsferne Schichten grundsätzlich kein Bargeld vom Staat bekommen sollten. Wenn das richtig wäre, dann müssten wir auch das Kindergeld streichen. Aber der Gedanke ist falsch und herabwürdigend. Ich habe als Anwalt viele Ehen geschieden und viele sogenannte bildungsferne Menschen kennengelernt, die ihre Kinder fantastisch erziehen. Ich kenne aber auch bildungsnahe Familien, in denen man die Kinder bedauern muss. Wir sollten mit diesem Thema keinen Spalt in unsere Gesellschaft treiben und auch nicht ideologisieren.

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