Der CDU-Landesvorsitzende, Ministerpräsident Volker Bouffier, spricht im Interview mit dem General-Anzeiger über den Länderfinanzausgleich und die Klageandrohung Hessens, die Euro-Krise sowie über die aktuelle Sicherheitsdebatte in Deutschland. Das Interview können Sie hier nachlesen:

General-Anzeiger: Die Ökonomen sind zutiefst uneinig, wie die Euro-Schuldenkrise zu bewältigen sei. Selbst bei der Beurteilung, ob die Europäische Zentralbank richtig beraten war, Staatsanleihen zu kaufen. Wie fühlt sich da die Politik?

Volker Bouffier: Es ist ein bedrückender Zustand, diesen wilden und bunten Chor zur Euro-Krise zu hören. Die Sachverhalte, mit denen wir es zu tun haben, sind von einer inhaltlichen Qualität und quantitativen Intensität, dass es eine völlig neue Herausforderung ist. Dennoch muss die Politik entscheiden, welcher Weg gegangen wird. Die Fachwelt hält dabei nicht die eine richtige Lösung bereit, deshalb sollte sie in Demut gegenüber der Politik auftreten.

General-Anzeiger: Die CDU bereitet ein Papier für den Bundesparteitag im November vor. Will Ihre Partei wie die CSU die Möglichkeit schaffen, überschuldete Staaten aus der Euro-Zone auszuschließen?

Volker Bouffier: Unser Ziel ist es nicht, Staaten vor die Tür zu stellen. Die Europäische Union ist mehr als der Euro, sie ist ein Jahrhundert- und Friedensprojekt. Wir müssen Europa wieder handlungsfähig machen und müssen zeigen, dass sich die Politik nicht von den Finanzmärkten erpressen lässt. Europa hat nur dann eine erfolgreiche Zukunft, wenn beides zusammenkommt: Solidarität und Solidität. Deutschland hat ein großes Interesse zu helfen. Aber die Staaten, denen wir helfen, müssen auch geordnete Verhältnisse herstellen. Dazu brauchen wir einen langen Atem.

General-Anzeiger: Wird die CDU bei Bedarf einer Erweiterung des Rettungsschirms EFSF zustimmen?

Volker Bouffier: Das Bundesverfassungsgericht hat dafür einen klaren Rahmen gesetzt: Sollten die Haftungssummen erhöht werden, muss der Bundestag beziehungsweise der Haushaltsausschuss zustimmen.

General-Anzeiger: Finanzminister Schäuble hat gesagt, notfalls würde er die Finanztransaktionssteuer im nationalen Alleingang einführen. Unterstützen Sie das?

Volker Bouffier: Wir müssen verhindern, dass wir unsere Interessen schädigen. Frankfurt hat den einzigen Finanzplatz in Deutschland. Wenn die Arbeitsplätze wegfallen, aber die wirtschaftlichen Aktivitäten an anderer Stelle in selber Form fortgeführt werden, haben wir etwas falsch gemacht. Deshalb kann es eine Finanztransaktionssteuer nur auf EU-Ebene geben. Wir müssen London mit einbeziehen.

General-Anzeiger: Wie stehen Sie zur Forderung nach Eurobonds?

Volker Bouffier: Nach den heutigen Regeln halte ich Eurobonds für falsch. Denn sie vergemeinschaften das Schuldenmachen. Für die Staaten, die schlechter wirtschaften, wäre es ein Signal, dass sie sich nicht so anstrengen müssen. Für Eurobonds bräuchten wir völlig andere EU-vertragliche Vereinbarungen.

General-Anzeiger: Stichwort Solidität. Hessen ist so solide, dass es in den Länderfinanzausgleich einzahlt. Sie wollen diesen ändern. Halten Sie an der Klageandrohung vor dem Bundesverfassungsgericht fest?

Volker Bouffier: Der Finanzausgleich bestraft die Fleißigen. Nordrhein-Westfalen senkt zum Beispiel künstlich seine Einnahmen, vergrößert damit seine Haushaltslöcher und erhöht dadurch seinen Anspruch aus dem Länderfinanzausgleich. Wenn wir bis Jahresfrist nicht in Verhandlungen mit Bund und Ländern erkennen, dass wir uns beim Finanzausgleich in die richtige Richtung bewegen, werden wir als letzte Konsequenz klagen.

General-Anzeiger: Sie waren lange Landesinnenminister. Haben die Brandanschlagsversuche auf die Bahn eine neue Dimension bekommen?

Volker Bouffier:Ja, das ist eine neue Qualität der Gewalt. Wir wissen, dass es bei uns ein extremistisches, gegebenenfalls bis in den Terrorismus hineinreichendes Potenzial gibt. Die aktuellen Entwicklungen müssen wir sehr ernst nehmen und entschlossen dagegen vorgehen.

General-Anzeiger: Müssen die Sicherheitskräfte verstärkt werden?

Volker Bouffier: Wir können nicht jede Bahnweiche rund um die Uhr bewachen, aber wir müssen mehr tun. Nötig ist ein integriertes Sicherheitskonzept aus Prävention, personeller Verstärkung und dem Einsatz modernster Technik.

General-Anzeiger: Sie meinen auch digitale Spähprogramme, die "Trojaner"? Welche Art von Überwachungssoftware wenden denn die hessischen Sicherheitsbehörden an?

Volker Bouffier: In Hessen werden, so das Innenministerium, nur solche Programme verwendet, die die Gerichte ausdrücklich für zulässig erklärt haben. Nach meiner Kenntnis ist die Software, die der Chaos Computer Club in die Hände bekam, in Hessen nicht eingesetzt worden.

General-Anzeiger: Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger fordert einheitliche Regelungen für Überwachungssoftware in Bund und Ländern. Stimmen Sie dieser Forderung zu?

Volker Bouffier: Es gibt schon solche festen Regeln. Das Bundesverfassungsgericht hat den Rahmen für den Einsatz der Trojaner gesteckt, und im Einzelfall muss ein Gericht entscheiden. Die digitalen Spähprogramme sind grundsätzlich ein zulässiges Instrument. Wenn wir überhaupt keine Software einsetzen würden, wäre das die Bankrotterklärung des Staates in seiner Schutzfunktion gegenüber dem Bürger. Ein Großteil der kriminellen Kundschaft telefoniert nun einmal über das Internet, mit herkömmlichen Überwachungsinstrumenten lässt sich da nichts ausrichten.

General-Anzeiger: Es fällt seit geraumer Zeit auf, dass die CDU-Ministerpräsidenten Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht mehr öffentlich in den Rücken fallen. Wie verstehen Sie Ihre Rolle als Stellvertreter der CDU-Chefin?

Volker Bouffier: Ich nehme für mich in Anspruch, Angela Merkel nicht in den Rücken zu fallen, egal ob öffentlich oder nicht öffentlich. Seien Sie sicher, dass wir uns alle sehr aktiv einbringen. Aber uns sind gute Ergebnisse in der Sache wichtiger als eine Schlagzeile.

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