Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 1. Juni 2017 hat der Deutsche Bundestag mit verfassungsändernder Mehrheit das umfangreiche Gesetzespaket zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanz­beziehungen beschlossen. Am 2. Juni 2017 haben alle 16 Länder im Bundesrat der Neuregelung zugestimmt. Nach rund vier Jahren intensiver, zeitweise auch äußerst kontroverser Diskussion zwischen Bund und Ländern konnte damit eines der zentralen Reformvorhaben in Deutschland erfolgreich abgeschlossen werden.

Mit der Reform haben Bund und Länder zweierlei bewiesen:

Erstens: Der Föderalismus ist entgegen mancher anderslautender Behauptung unverändert handlungsfähig. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dass 16 Länder – übrigens ohne hierzu vom Bundesverfassungsgericht verpflichtet worden zu sein – in Finanzfragen eine gemeinsame Position formuliert haben. Angesichts der widerstrebenden Interessenlage der einzelnen Länder und Ländergruppen halte ich das für ein mehr als bemerkenswertes Ergebnis. 71 Jahre nach Gründung des Landes Hessen und  knapp 70 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik zeigt das, dass der Föderalismus noch immer sehr viel stärker und vitaler ist als gelegentlich vermutet.

Und zweitens – und diesen Aspekt habe ich auch in meiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 1. Juni zu diesem Thema hervorgehoben: Die Politik in Deutschland ist bei allen inhaltlichen Kontroversen und in der Sache teilweise hart geführten Auseinandersetzungen nach wie vor fähig und in der Lage, bei den großen Strukturfragen über die Parteigrenzen hinweg gemeinsame Lösungen zu finden. In Zeiten, in denen in einer wachsenden Zahl von Staaten die Fähigkeit zum nationalen Kompromiss verloren zu gehen scheint, unterstreicht dies die Stabilität und Zukunftsfähigkeit unseres Gemeinwesens. Dies gibt berechtigten Anlass zur Freude und Zuversicht.

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit der Neuordnung, die auf einer Einigung der Regierungschefs von Bund und Ländern vom Oktober 2016 basiert, stellen wir das bundesstaatliche Finanzgefüge nun für die Zeit ab dem Jahr 2020 auf ein neues tragfähiges Fundament. Wir justieren damit die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Ländern neu.

Die Ergebnisse sind hierbei an den inhaltlichen Anforderungen zu messen, die an die Reform gestellt wurden. Zuvorderst musste – auch mit Blick auf die ab dem Jahr 2020 für alle Länder verbindlich geltende Schuldenbremse – eine Anschlussregelung für den bis Ende 2019 befristeten, bisherigen bundesstaatlichen Finanzausgleich sowie den ebenfalls auslaufenden Solidarpakt II für die neuen Länder gefunden werden.

Es galt auch, der zunehmenden Fehlentwicklung mit dem bestehenden Ausgleichssystem Rechnung zu tragen. Immer weniger Länder, zuletzt noch drei, mussten jedes Jahr immer mehr bezahlen.

Dies war nicht nur sachlich falsch, es war vor allen Dingen gerade für Hessen völlig ungerecht. Vor allem von Seiten der finanzstarken Geberländer wurde – allerdings ohne bei den Nehmerländern nachhaltig Gehör zu finden – immer wieder auf die bestehenden systematischen Schwächen des geltenden Regelwerks sowie die damit verbundenen hohen finanziellen Belastungen hingewiesen. Der Normenkontrollantrag von Hessen und Bayern beim Bundesverfassungsgericht im Jahr 2013 zum geltenden Finanzausgleich war vor diesem Hintergrund vor allem ein Akt der politischen Notwehr. Er hatte vor allem auch den Zweck, endlich Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen zu bringen. Genau dies ist gelungen, wie man an dem gefundenen Ergebnis belegen kann. Unsere Klage war deshalb nicht nur geboten, sie war auch erfolgreich. Mit der jetzt erreichten Lösung ist die Notwendigkeit entfallen, den Antrag weiter aufrecht zu erhalten und wir werden den Antrag in Kürze zurücknehmen.

Aber auch den politischen Rahmenbedingungen war Rechnung zu tragen. Wenn lediglich drei oder vier Geberländern insgesamt zwölf Nehmerländer gegenüberstehen, dann braucht man kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, dass sich in den Verhandlungen nicht alle Forderungen durchsetzen lassen. Um zu einem Ergebnis zu gelangen, sind Abstriche und Zugeständnisse an der einen oder anderen Stelle nötig und unvermeidlich.

Und dass die Bereitschaft des Bundes begrenzt war, ohne Zugeständnisse der Länder an anderer Stelle eine Einigung durch zusätzliche Bundesmittel zu befördern, kann auch nur den überraschen, der weder die handelnden Akteure auf Bundesseite noch die von ihnen wahrzunehmenden Interessen kennt.

Gemessen an diesen Rahmenbedingungen kann sich der nun gefundene politische Kompromiss – und genau das ist die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen – nach meiner festen Überzeugung sehr gut sehen lassen. Im Kern sichert er den Ländern die notwendigen finanziellen Handlungsspielräume, um ihre verfassungsrechtlichen Aufgaben im Einklang mit der ab dem Jahr 2020 verbindlich geltenden grundgesetzlichen Schuldenbremse auch in Zukunft in angemessener Weise erfüllen zu können.

Die neuen Bundesländer verfügen nun über finanzielle Planungssicherheit. Die Länder Bremen und Saarland erhalten umfangreiche Hilfen, um den dort begonnenen Sanierungsprozess weiter voranzutreiben und ihre Haushalte dauerhaft wieder auf eine solide Grundlage zu stellen.

Auch der Bund steht keineswegs mit leeren Händen da. Er erhält – etwa durch die Schaffung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr, die Möglichkeit zur Unterstützung der Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen oder die Stärkung der Rechte des Bundes in der Steuerverwaltung – zusätzliche Kompetenzen, an denen die Länder sicherlich gerne festgehalten hätten. Es ist eben nicht so, um es – leicht abgewandelt – mit einem Zitat des englischen Fußballspielers Gary Lineker zu formulieren, dass „Bund und Länder monatelang verhandeln und am Ende immer die Länder gewinnen“.

Ich will in diesem Zusammenhand auch eine Bemerkung zur sogenannten Infrastrukturgesellschaft des Bundes machen.

Durch die Grundgesetzänderung ist ab 2021 nun der Bund für die Straßenbauverwaltung, insbesondere der Autobahnen zuständig. Über die Einzelheiten und insbesondere die zukünftige Ausgestaltung dieser Gesellschaft ist intensiv gestritten worden.

Für Hessen bedeutet dies, dass es durch die neue Aufgabenübertragung auf den Bund auch zu großen Veränderungen bei der hessischen Straßenbauverwaltung kommen wird. Betroffen sind davon fast 3600 Mitarbeiter, die sich Sorgen machen, was das für sie konkret bedeutet. Die hessische Landesregierung nimmt die Sorgen und Ängste der Mitarbeiter ernst. Und deswegen wollen wir diese Unsicherheit auch schnell beenden. Die Beschäftigten brauchen Klarheit! Und eins kann ich ihnen versprechen: Versetzungen gegen den Willen der Beschäftigten wird es nicht geben. Und wir werden das Gespräch mit den Personalvertretungen suchen, um gemeinsam die bestmögliche Lösung für die Mitarbeiter zu finden. Zudem wird sich die hessische Landesregierung beim Bund dafür einsetzen, dass eine Tochtergesellschaft der neuen Autobahngesellschaft nach Hessen kommt.

Wenn wir das Gesamtpaket der Reformen betrachten, sollten wir nicht vergessen, dass viele Bürger in unserem Land von der Reform unmittelbar profitieren.

Ich denke hier vor allem an die Neuregelung des Unterhaltsvorschusses, die die Lebenssituation vieler Alleinerziehender substantiell verbessern wird.

Auch die verstärkte Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Bereich der Digitalisierung und die damit verbundene Verpflichtung der Verwaltung, ihre Leistungen – sofern möglich – einheitlich online anzubieten, bedeutet eine richtige Weichenstellung sowohl im Sinne der Bürgerfreundlichkeit als auch der notwendigen technologischen Weiterentwicklung der Verwaltung auf allen Ebenen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Herzstück der Reform aus Sicht der Länder ist ohne Zweifel die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs. Anders als es vor allem in der Presse immer wieder behauptet wird, bedeutet dessen Neugestaltung jedoch weder die Abschaffung des Solidaritätsgedankens unter den Ländern noch eine „Vertikalisierung“ des Finanzausgleichs.

Richtig ist, dass das bisherige, äußerst komplexe zweistufige horizontale Umverteilungsverfahren – man unterscheidet hier zwischen dem Umsatzsteuervorwegausgleich und dem Länderfinanzausgleich – künftig auf nur noch eine einzige Umverteilungsstufe umgestellt wird.

Richtig ist auch: Die Beiträge und Zuweisungen im Länderfinanzausgleich werden ab dem Jahr 2020 nicht mehr als eigene Kategorie in den Länderhaushalten ausgewiesen, sondern als Zu- und Abschläge bei der Umsatzsteuer.

Es bleibt jedoch dabei – und es ist mir wichtig, dies herauszustellen –, dass die finanzstarken Länder auch weiterhin für die finanzschwachen Länder einstehen. Ich will ihnen dies kurz am Beispiel unseres Bundeslandes erläutern: Hessen kann nach derzeitigem Stand auf Grund der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen im Jahr 2020 bei der Umsatzsteuer mit zusätzlichen Einnahmen von über 1,6 Milliarden Euro rechnen.

Von dieser Summe fließen jedoch deutlich über 1 Milliarde Euro über Abschläge als Ausgleichsleistung wieder an die finanzschwachen Länder.

Die gesamten Ausgleichsleistungen des Landes werden sich im Jahr 2020 nach jetzigem Stand auf fast 3,6 Milliarden Euro belaufen. Auf jede Hessin und auf jeden Hessen bezogen sind das noch immer fast 600 Euro. Dies zeigt ganz deutlich: Der Vorwurf, die finanzstarken Länder hätten im Rahmen der Neuordnung des Finanzausgleich ihre Solidaritätsverpflichtung aufgekündigt, entbehrt jeder inhaltlichen Grundlage. Er ist schlicht falsch. Hessen war, ist und bleibt solidarisch.

Übrigens zeigt gerade diese Diskussion auch einen Vorteil der jetzigen Reform, weil jetzt das gesamte Umverteilungsvolumen transparent gemacht wird. Im bisherigen Finanzausgleich lag der Fokus vor allem auf den Zahlungen im Länderfinanzausgleich. Dadurch wird jedoch das tatsächliche Umverteilungsvolumen zwischen den Ländern nicht deutlich, weil die Effekte des Umsatzsteuervorwegausgleichs regelmäßig ausgeblendet werden. Betrachtet man richtigerweise Zahlungen im LFA und Umsatzsteuervorwegausgleich zusammen und vergleicht die Belastungen des alten Systems mit dem neuen, stellt man fest, dass es uns im Rahmen der Verhandlungen gelungen ist, die Zahllast des Landes zwar nicht wie gewünscht, aber doch spürbar zu verringern. Zusammen mit dem neuen Ausgleichstarif sorgt dies dafür, dass wir künftig mehr von dem behalten dürfen, was die Menschen und Unternehmen hier in Hessen erwirtschaften. Das ist ein gutes Ergebnis für unser Land.

Sehr geehrte Damen und Herren,

denn auch die finanzielle Gesamtschau für Hessen kann sich durchaus sehen lassen. Auf Basis der Ergebnisse der jüngsten Steuerschätzung können wir im Jahr 2020 voraussichtlich mit Mehreinnahmen für den Landeshaushalt in Höhe von rund 580 Millionen Euro rechnen. Werden zusätzlich noch die Einnahmen aus der Fortführung des Bundesprogramms im Bereich der Verkehrsfinanzierung der Gemeinden berücksichtigt, dann beläuft sich das Plus sogar auf fast 620 Millionen Euro.

Das ist eine stolze Summe und es ist sicherlich verdienstvoll zu überlegen, wie wir dieses Geld gewinnbringend für unser Land einsetzen können. Ich habe hierzu schon Forderungen und Vorschläge erhalten, die ein Vielfaches der erwartenden Summe ausmacht.

Gestatten Sie mir hierzu jedoch zwei relativierende Hinweise.

Erstens: Ein Teil der Mehreinnahmen, rund 160 Millionen Euro, entfällt darauf, dass die bisherigen Entflechtungsmittel in einen Festbetrag bei der Umsatzsteuer umgewandelt werden. Das ist aus Sicht des Landes positiv, weil wir dadurch den Entflechtungsprozess, den wir im Rahmen der Föderalismusreform I angestoßen haben, nunmehr erfolgreich abschließen können.

Allerdings sind die Aufgaben nicht weggefallen. Das Geld wird auch weiterhin in den bisherigen Bereichen, im Hochschulbau, in der Verkehrsfinanzierung der Gemeinden und im Wohnungsbau benötigt. Wir können damit nicht ohne weiteres neue oder zusätzliche Aufgaben finanzieren.

Zweitens: Die Reform der Bund-Länder-Finanz­beziehungen ist an einer entscheidenden Stelle noch nicht abgeschlossen. Ich spreche hier von der erhöhten Gewerbesteuerumlage. Ohne Anschlussregelung läuft diese Ende 2019 aus. Im Ergebnis würde das dazu führen, dass ein erheblicher Teil von dem, was jetzt auf der einen Seite an Mehrerlösen im Landeshaushalt zu erwarten ist, an der anderen Stelle wieder wegfällt.

Profitieren würden vor allem die reichen, gewerbesteuerstarken Kommunen. Ich halte ein solches Ergebnis für problematisch und übrigens auch für nicht gewollt. 

Dies gilt aus meiner Sicht auch deshalb, weil die Gründe, die im Jahr 1995 zur Einführung der erhöhten Gewerbesteuerumlage geführt haben, noch heute gelten. Bereits damals ging es darum, die westdeutschen Kommunen an den strukturellen Lasten ihrer Länder durch die vollständige Einbeziehung der ostdeutschen Länder in den bundesstaatlichen Finanzausgleich zu beteiligen. Der Sache nach besteht diese strukturelle Belastung der westdeutschen Länder auch nach der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen fort.

Die Ursache hierfür liegt in der noch immer weit unterdurchschnittlichen kommunalen Finanzkraft der ostdeutschen Länder.

Wir können sicherlich darüber reden, ob mit Blick auf die zwischenzeitlich eingetretenen Aufholprozesse in den ostdeutschen Ländern sowie die vereinbarten Änderungen im Rahmen des horizontalen Finanzausgleichs eine spürbare Absenkung des Vervielfältigers angezeigt ist. Klar muss jedoch sein, dass die westdeutschen Länder auch nach dem Jahr 2020 eine Kompensation für die erhöhte Gewerbesteuerumlage brauchen, um am Ende nicht mit leeren Händen dazustehen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang einen weiteren Punkt ansprechen. Ich habe Ihnen gerade dargelegt, dass die von uns erwarteten zusätzlichen Mittel nicht mehrfach ausgegeben werden können und es auch einer dauerhaften Lösung des Problems der Gewerbesteuerumlage kommen muss. Ich gehe davon aus, dass dies gelingt und deshalb werden wir verantwortlich die zusätzlichen Mittel auch für die Kitabetreuung einsetzen. Die Landesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien werden ihre Vorstellungen dazu rechtzeitig vorlegen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ein politisches Gesamtkunstwerk wie die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen und ihrer Begleitvorschriften ist – ich habe bereits darauf hingewiesen – natürlich in hohem Maße davon gekennzeichnet, dass es Kompromissbereitschaft auf allen Seiten erfordert.

Das hat beispielsweise beim Finanzausgleich dazu geführt, dass wir im Gegenzug zur Änderung des Ausgleichstarifs und des Wegfalls des Umsatzsteuervorwegausgleichs die Beibehaltung der Einwohnerveredelung der Stadtstaaten genauso akzeptiert haben, wie einen höheren Einbezug der kommunalen Finanzkraft. Auch unsere Bedenken gegen die neue Gemeindesteuerkraft-BEZ haben wir zurückgestellt, obwohl wir die damit verbundenen Anreizwirkungen äußerst kritisch sehen. Am Ende geht es eben nicht nur um das finanzwissenschaftlich oder staatsorganisationsrechtliche Wünschenswerte und Sinnvolle, sondern vor allem auch um das politisch Machbare.

Aus diesem Grund haben wir übrigens auch davon abgesehen, eine weitere Stärkung der Eigenverantwortung der Länder, etwa über Zuschlagsrecht bei der Einkommen- und Lohnsteuer, einzufordern.

Angesichts des massiven Widerstands, vor allem in den ostdeutschen Ländern, bestand hier von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg. Ich bedaure das ein wenig, weil den Ländern in dieser Frage aus meiner Sicht mehr Mut gut zu Gesicht gestanden hätte. Aber auch hier mussten wir letztlich die politischen Realitäten zur Kenntnis nehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

apropos Eigenverantwortung: Tatsächlich führen die Verschiebungen in den Kompetenzen zwischen Bund und Ländern zu Veränderungen, die von Länderseite durchaus mit einer gewissen Skepsis betrachtet werden.

Das gilt für die zusätzlichen Mitsprache- und Prüfungsrechte des Bundes und des Bundesrechnungshofes ebenso, wie für die zusätzlichen Mischfinanzierungstatbestände, die jetzt etwa im Bereich der Bildungsfinanzierung geschaffen werden.

Ich möchte an dieser Stelle nicht falsch verstanden werden: Die zusätzlichen Investitionen in die Bildungsinfrastruktur sind herzlich willkommen. Es geht hier aber auch um die sehr grundsätzliche Frage, welche Ebene im föderalen Staat am besten weiß, an welchen Stellen ein bestimmter Handlungsbedarf besteht. So ist es zwar durchaus erfreulich, dass der Bund beim Kommunalinvestitionsförderungsgesetz den Änderungswünschen der Länder Rechnung getragen hat. Besser wäre es jedoch gewesen, wenn der Bund den Ländern noch sehr viel mehr Spielräume bei der Mittelverwendung eingeräumt hätte, denn die Länder und Kommunen wissen eben sehr viel besser als der Bund, wo der Bedarf besonders groß ist.

Bei der ersten Föderalismusreform vor rund einem Jahrzehnt ist es uns noch ganz gut gelungen, Verantwortlichkeiten zwischen Bund und den Ländern klarer voneinander abzugrenzen und die jetzt vereinbarte Umwandlung der Entflechtungsmittel in einen Umsatzsteuerfestbetrag ist insofern nichts anderes als ein erfolgreicher Schlusspunkt unter diese Reform.

Mit den anderen jetzt vereinbarten Regelungen wird das Rad jedoch wieder ein Stück weit zurückgedreht.

Ob die neuen, zusätzlichen Verschränkungen von Verantwortlichkeiten sich am Ende in der Praxis bewähren werden oder nicht, wird die Zeit zeigen. Ich gestehe offen, ich bin in dieser Frage nicht ohne Zweifel. Ich halte es jedenfalls für sehr wahrscheinlich und auch für wünschenswert, dass sie Gegenstand der nach zehn Jahren Laufzeit vorgesehenen Evaluierung sein werden.

Zudem werden wir sehr sorgfältig darauf achten müssen, dass der Bund die neu gewonnenen Kompetenzen mit Augenmaß einsetzt. Im Bereich der Steuerverwaltung bergen die vorgenommenen Gesetzesänderungen etwa die Gefahr weitgehender Eingriffe des Bundes in die Organisations- und Verwaltungshoheit der Länder.

Für die Länder wäre eine solche Entwicklung doppelt problematisch. Sie würden nicht nur ein Stück weit ihre Souveränität verlieren, sondern müssten auch noch für zusätzliche Haushaltsrisiken gerade stehen, weil die Kostenverantwortung für das Personal weiter bei ihnen verbleibt.

Ich bin allerdings zuversichtlich, dass der Bund um die besondere Problematik weiß und seine neu gewonnenen Kompetenzen verantwortungsbewusst und unter Wahrung der Länderinteressen nutzen wird. Davon ist aus meiner Sicht allein deshalb auszugehen, weil auch die Verantwortlichen auf Bundesebene sehr genau wissen, dass Bund und Länder wechselseitig auf eine vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit angewiesen sind. Andernfalls werden wir die Herausforderungen, die die Zukunft an unser Gemeinwesen stellt, nicht erfolgreich bewältigen können.

Sehr geehrte Damen und Herren,

trotz der eben beschriebenen Schwächen der Reform, die ich nicht kleinreden will, bleibt per Saldo ein überaus positives Fazit:

Mit der Neuordnung der Bund-Länder-Finanz­beziehungen werden die Weichen für die Zukunft unseres Gemeinwesens insgesamt richtig gestellt. Mit der Reform wird das finanzielle Fundament dafür gelegt, dass die Länder ihre Aufgaben dauerhaft erfüllen können.

Hessen und die beiden anderen Geberländer sind weiter solidarisch mit den finanzschwachen Ländern und zahlen hohe Unterstützungsbeiträge. Wir festigen damit die Voraussetzung für ein starkes, leistungsfähiges föderales Staatswesen und stellen auf diese Weise sicher, dass die Menschen auch in Zukunft gerne in Hessen, aber auch in ganz Deutschland leben.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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