Der hessische Landesverband des Bundes der Vertriebenen hat am Samstag einen Volkstums- und Brauchtumsnachmittag auf dem Hessentag in Korbach veranstaltet. Zahlreiche Zuschauer waren in die Stadthalle gekommen. Auch Ministerpräsident Volker Bouffier freute sich, an der Veranstaltung teilhaben zu können.
„Die Ehrenamtlichen in den Landsmannschaften und Vertriebenenverbänden leisten wirklich Großartiges für die Gedenk- und Kulturarbeit. Durch die von ihnen organisierten Veranstaltungen und konzipierten Ausstellungen, aber auch durch Denkmäler und Gedenktafeln halten sie die Erinnerung an Flucht und Vertreibung wach – und bauen eine wichtige Brücke in die Zukunft“, sagte der Ministerpräsident. Das Schicksal der Vertriebenen sei eng mit dem Schicksal des Bundeslandes Hessen verwoben. Die Geschichte der Vertriebenen sei immer auch eine Geschichte des gesamten deutschen Volkes. „Und deshalb ist es richtig und wichtig, dass der Bund der Vertriebenen auf dem Hessentag präsent ist und den Kontakt zu Menschen sucht, für die das Thema Vertreibung
maximal ein abstraktes Kapitel im Geschichtsbuch ist.“ Denn durch diese Begegnung und das Erzählen einer ganz persönlichen Geschichte bekomme ein abstraktes, fernes Thema plötzlich ein Gesicht. „Die Menschen können dadurch nicht nur mit ihrem Kopf, sondern auch mit ihrem Herzen verstehen, warum es wichtig ist, die Erinnerung wachzuhalten und weiterzutragen“, sagte der Ministerpräsident.
Auf Landesebene geschehe einiges, um dieses Ziel zu erreichen: etwa der seit 2014 jährlich stattfindende Hessische Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation oder das jährliche Vertriebenengespräch in der Hessischen Staatskanzlei. Es gelte, gerade junge Menschen für diese Themen zu interessieren. Eine Möglichkeit biete die Bildungspolitik, führte Volker Bouffier aus: „Wir haben es in Hessen geschafft, in die Lehrpläne der Oberstufe das Thema ,Flucht und Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg‘ im Fach Geschichte verbindlich festzuschreiben. Das gab es und gibt es sonst nirgends.“
Der Ministerpräsident lobte das Engagement des Bundes der Vertriebenen bei den aktuellen Herausforderungen: Nach deutschlandweiten Zahlen stamme ein Drittel der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer selbst aus einer Vertriebenenfamilie. „Es ist ein tolles Zeichen für den Zusammenhalt eines Landes, wenn Menschen ihre eigene schmerzhafte Geschichte in etwas Positives verwandeln, in Verständnis, Hilfe und Hoffnung für die Zukunft anderer Menschen.“ Für dieses herausragende Engagement dankte Volker Bouffier den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern von Herzen.
Der Ministerpräsident ging auch auf aktuelle politische Entwicklungen ein. In Europa und in den USA gebe es Tendenzen zur Abschottung, zum Wiedererstehen von Grenzen, zum Nationalismus. „Und dabei wissen wir alle: Europa ist ein Musterbeispiel dafür, dass übersteigerter Nationalismus nie zum Wohle der Völker war, sondern in aller Regel in der Katastrophe geendet hat. Deshalb müssen wir auch alles tun, um zu verhindern, dass unsere Europäische Union zerfällt, dass nationale Egoismen überhandnehmen und Populisten oder gar Extremisten die Zukunft Europas gestalten“, sagte Volker Bouffier. Die Idee der Europäischen Union sei es wert, sie auch 60 Jahre nach Gründung weiterzuführen, damit Frieden und Freundschaft der Völker auch in Zukunft gewahrt bleiben. „Hier sehe ich die Vertriebenen als Verbündete. Was Grenzen ausrichten können, welche Folgen der Nationalismus haben kann, wissen Sie. Lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten, dass keine neuen Grenzen mehr entstehen, keine in den Köpfen der Menschen und keine realen in Europa“, sagte der Ministerpräsident abschließend zu den Anwesenden.

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